Rezension

Klischeebehaftete Lovestory voller Recherchefehler

Liebe zum Nachtisch - Victoria Seifried

Liebe zum Nachtisch
von Victoria Seifried

Liebe zum Nachtisch ist eine typische Schnulze á la Hollywood. Sie verliebt sich unsterblich in einen gut aussehenden Typen, der einen Tag später das Land verlässt. Sie gibt sich einen Ruck und reist ihm - mit nichts weiter als seinem Vornamen als Ansatzpunkt - von Berlin nach New York hinterher und startet eine Suchaktion; eine, bei der sie unsagbar viele, glückliche Zufälle erlebt. Dort lernt sie neue Leute kennen und wie das in diesen Hollywood-Schnulzen so ist, sieht sie den Wald vor lauter Bäumen nicht, sprich: sie merkt gar nicht, dass jemand in sie verliebt ist und sie ihn eigentlich auch liebt: Das bekommt sie ihrer Suche aber gar nicht mit, sondern erkennt es erst, als es vermeintlich zu spät ist. Typisches Klischee eben. Was nicht weiter schlimm ist, denn Helena ist eine herrlich amüsante Protagonistin. Mit ihrem schlechten Modegeschmack, ihrer Shoppingsucht, ihrer Angst vor Pupshosen und ihrer Vernarrtheit in ihre Schildkröte Pirmin, die natürlich auch mich nach New York kommt, sorgt sie für einige unterhaltsame Momente. Manchmal wurde mir das zwar zu bunt, aber zwischendurch musste ich immer wieder schmunzeln. An anderen Stellen dachte ich nur: "Wie kommt man auf so bescheuerte Ideen?" Etwa, sein Haustier in ein Zoogehege zu setzen und sich dann zu wundern, wenn man beim Versuch, es wieder herauszuholen, des Diebstahls bezichtigt wird. Generell wirkt Helena in ihrem Denken und ihren Handlungen nicht wie 26, sondern eher wie 17 oder 18.
 

Liebe zum Nachtisch ist nicht besonders anspruchsvoll, aber das habe ich auch nicht erwartet. Ein bisschen weniger umgangsprachlich geschrieben hätte es aber doch sein dürfen. Formulierungen wie "auf die Fresse fallen" trifft man alle nasenlang. Die Figuren sind alle recht stereotyp. Rainer ist der Langweiler, der sich mehr für seine Schwester als irgendjemanden sonst interessiert, und der Helena nicht genügend Aufmerksamkeit widmet. Jeffrey ist das attraktive Abenteuer. Daniel ist der Kumpel zum Pferdestehlen. Paul ist der beste Freund, der immer für Helena da ist. Friederike ist die modebewusste, hübsche beste Freundin. Rachel ist die aufgedrehte, aufstrebende Radiomoderatorin. Sie sind alle so eindimensional.

Was mich aber noch viel mehr gestört und immer wieder aus dem Lesefluss gerissen hat, sind die unzähligen kleineren und größeren Recherchefehler. Wer noch nie in New York oder generell in den USA war, dem werden sie vermutlich nicht auffallen. Aber allen Lesern, die sich nicht nur für die Story, sondern auch für den Schauplatz interessieren, schon. Es geht vor allem um solche Dinge wie Helenas Einreise (Stichwort ESTA), die Rückreise (Stichwort "3 Stunden vorher am Flughafen sein"), die in Helena Abwesenheit frei herumlaufende Schildkröte im Hotelzimmer (Stichwort Zimmermädchen), die Musicals (die sind weder Monate im Vorau ausverkauft, noch unbezahlbar. Meistens bekommt man für einen erschwinglichen Preis noch Karten für den gleichen Abend). Wie Helena die weiten Wege, die sie jeden Tag läuft, in so kurzer Zeit zu Fuß bewältigt, weiß ich auch nicht. Oder wie sie so schnell vom Central Park zum Macy's kommt. Victoria Seifried hat es leider überhaupt nicht geschafft, das typische New Yorker Flair einzufangen. Sie gibt lediglich einige Aspekte wieder, die in jedem Reiseprospekt stehen und selbst hier gibt es nicht besonders viel Abwechslung. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum Helena lieber vor dem Fernseher sitzt oder die gleichen Orte immer und immer wieder besucht, statt ihre Zeit in New York zu nutzen. 

Dazu kommen andere Kleinigkeiten wie etwa, dass Helena in New York hauptsächlich auf Deutsch sprechende Menschen triff (wenn sie jemandem begegnet, der nur Englisch versteht, dass sind diese Minidialoge auch in Englisch geschrieben.) Klar, so umgeht die Autorin das Problem des "Soll ich jetzt nur sagen, dass sie Englisch sprechen, und die Dialoge auf Deutsch schreiben, oder soll ich sie wirklich Englisch sprechen lassen und riskieren, dass die Leser es nicht versteheh?" Einzeln genommen sind das wirklich Kleinigkeiten, aber irgendwann haben sie sich so gehäuft, dass ich immer wieder dachte "Was für ein Unsinn, was für ein Blödsinn". 

Liebe zum Nachtisch ist nett. Eine nette kleine Lovestory voller Klischees, die dem typischen Schema einer Hollywood-Romanze folgt. Emotional berührt hat sie mich aber nicht und wirklich romantisch fand ich sie auch nicht. Für mich ist es leider nicht mehr als ein netter kleiner Happen Lesefutter für Zwischendurch, dessen Figuren und Story ich ganz schnell wieder vergessen werde und dessen viele Recherchfehler mich gestört haben.

 

(c) Books and Biscuit