Rezension

Klischeehaftes Drama

Für immer ist die längste Zeit - Abby Fabiaschi

Für immer ist die längste Zeit
von Abby Fabiaschi

Bewertet mit 1.5 Sternen

Madeleine Starling ist vom Dach der Bibliothek in den Tod gestürzt. Wie es dazu kommen konnte, wird erst am Ende des Romans aufgedeckt. Sie hinterlässt Ehemann Brady, der seine Hilfe im Haushalt irgendwann einstellte, weil er es seiner Frau nie recht machen konnte, und die 17-jährige Eve, die zum Beginn des nächsten Schuljahres an ein auswärtiges College wechseln wird. Hilflose Trost-Versuche der  mit ihnen trauernden Nachbarn und Freunde bringen  Eve in Rage; jedes Lob für ihre selbstlose Mutter  interpretiert sie als Kritik am eigenen Egoismus – und dem ihres Vaters. Vater und Tochter machen sich Vorwürfe, weil sie zu Maddys Lebzeiten ihre Bemutterung selbstverständlich hinnahmen und ihr niemals dankten. Während  Mann und Tochter Maddys plötzlichen Tod zu verarbeiten suchen, kann Maddy selbst ihre Familie nicht loslassen. Auf einer Wolke schwebend, versucht sie die Wege ihrer Lieben von dort oben herab  zu lenken. Engel können das, als hätten sie einen Zauberstab. Dass  es  am Boden  nicht ohne sie  geht, scheint Maddy sogar mit Befriedigung zu erfüllen. Brady braucht möglichst bald eine neue Frau, beschließt sie; denn allein würde er hilflos  dem Schlachtfeld gegenüber stehen, in das er das Haus innerhalb kürzester Zeit verwandelt. Mit Blick auf ihre  College-Bewerbung  nimmt Eve Nachhilfe bei  Rory, einer Lehrerin in den besten Jahren, die Maddy von ihrer Wolke herab zu Bradys neuer Frau bestimmt hat. Selbst die Sozialstunden, zu denen Eve nach einem leichtsinnigen Autounfall verknackt wird, erweisen sich als Segen für sie.

Maddys Tagebuch, das Eve vom Vater kontrolliert in winzigen Abschnitten lesen darf, könnte das Rätsel um ihren Tod lösen. Da Maddy auf eine Familiengeschichte mit Alkoholismus und Depressionen zurückblickt, könnte auch sie an Depressionen gelitten haben. - Beim Umgang mit dem Thema Depression hätte Abby Fabiaschi  größeres Fingerspitzengefühl zeigen können. Ob jemand an Depressionen leiden darf, ist keine Ermessenssache Außenstehender. Zu absurden Beiträgen von Romanfiguren  zum Thema Depression wünsche ich mir auch in einem fiktiven Text Widerspruch. - Überrumpelt vom Zusammenleben mit einer 17-Jährigen, die er  bisher kaum wahrnahm, hat Brady  leider wenig mehr zu bieten, als Eve autoritär abzukanzeln. 

Erzählt wird Abby Fabiaschis in den USA überaus populärer Roman in Ichform von den drei  Starlings, ergänzt von Maddys Tagebuch-Auszügen. Anfangs wirkten die drei Stimmen authentisch und lassen hoffen auf die Aufklärung der Todesumstände. Wie Maddy ihr Leben und ihren frühen Tod hinnimmt, ohne Versäumtes zu bereuen, konnte mich nicht überzeugen. Die Starlings, beide Mitte der 60er Jahre geboren, lebten konventionelle  Rollenmuster vom Alleinverdiener und seiner treu sorgenden  Ehefrau. Für die Zeit, wenn Eve den ganzen Tag in der Schule sein würde, hatte Maddy offenbar keine Ziele  außer ehrenamtlich in der Bibliothek zu arbeiten.  In dieser Generation? Ernsthaft? 

Fabiaschis Erstling kommt mit der unübersehbaren Botschaft: Lebe heute und sprich mit deinen Mitmenschen, solange du es noch kannst. Vater und Tochter bereuen zwar ihr Verhalten gegenüber der Verstorbenen, entwickeln sich im Laufe der Handlung jedoch nur geringfügig weiter. Bücher mit Engeln, die auf Wolken schweben, gehören sonst nicht in mein Beuteschema. Hinter einem luftig leichten Buchcover  in Lack-Optik entwickelt sich eine Handlung, die nicht einmal andeutungsweise an Klischees kratzt und mir aus der Innenansicht zu wenig über die Personen vermitteln kann. Besonders bei Eve finde ich das ärgerlich.