Rezension

Klug, träumerisch, aber auch bestärkend und bietet einen schönen Blick in die Welt der Vögel

Das Vogelhaus - Eva Meijer

Das Vogelhaus
von Eva Meijer

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Die Vögel lehrten mich, dass individuelle Intelligenz für ihr Verhalten und ihre Entscheidungen eine weit größere Rolle spielen als biologische Neigungen oder das, was Wissenschaftler »Instinkt« nennen.“ S.23

Diese romanhafte Biographie kommt sehr unaufgeregt daher. Sie ist gefühlvoll und zart, aber auch träumerisch und poetisch. Und dennoch bleibt sie auf eigene Art und Weise schlicht. Für mich lag das vor allem an der Darstellung der Protagonistin, der Vogelkundlerin Len Howard. Sie geht von Anfang an ihren eigenen Weg, lässt sich von niemandem reinreden und hat auch kein Interesse daran, sich für andere Leute zu verbiegen. Sie weiß was sie will, wo ihre Interessen liegen und wie sie ihr Leben gestalten möchte.
Während der Geschichte wird natürlich auch deutlich, dass sich ihre Interessen wandeln und dass die Vögel immer mehr Platz in ihrem Alltag einnehmen.
Besonders dort lädt der Text sehr oft zum Schmunzeln ein, weil die Verhaltensweisen von Tieren und ihre Reaktionen spielerisch und recht lustig erzählt werden.
Das Buch versprüht zudem eine eigene kluge Darlegung der Vogelwelt und ist einladend, um weiteres Interesse an Vögeln und ihrem Verhalten zu entwickeln. Dabei bin ich aber der Meinung, dass das Buch trotzdessen keineswegs nur für Vogelinteressierte geeignet ist. Es ist die Geschichte einer Frau, die ihr eigenes Glück im Leben sucht und nicht davor zurückschreckt anders zu sein.
Mir gefielen in diesem Zusammenhang auch die gelungenen Kapitelverknüpfungen zwischen den Vogelbeobachtungen, hier auch separat noch unterteilt in die Geschichte ihres Lieblingsvogels "Sternchen" und den anderen Vögeln, und den jungen Jahren von Len Howard (wenn auch teils natürlich fiktiv). Es gibt einfach grundsätzlich viele Passagen in denen man mitfühlt. Vielleicht auch vor allem dann, wenn diese (benötigte) Isolation der Vogelkundlerin präsent wird. Merkwürdigerweise fühlt man sich bei dieser aufgebauten Abgeschiedenheit von Menschen und der beschriebenen Zuwendung zu Vögeln eher wohl. Es fühlt sich ein wenig an wie Urlaub, an einem ruhigen, abgelegenen Ort, zusammen mit einer Erzählerin, die ohne Hektik und Aufdringlichkeit von ihrer liebsten Beschäftigung spricht.

"'Ein Geräusch lässt mich aufschrecken, die Augen öffnen, mich auf den Bauch drehen: Eine Ente. Sie akzeptiert meine Anwesenheit wie selbstverständlich, obwohl selten ein Mensch hierherkommt. Vielleicht gerade deswegen. Ich huste, sie erschrickt. »Pardon.« " S.169f.

Schön zu lesen waren für mich auch die vielen Verweise darauf, dass Len Howard den Menschen nie über das Tier, also auch über die Vögel gestellt hat. Sie sieht sie als ihre Freunde an und sieht in ihnen mehr als nur Gestalten, die sich durch die Lüfte bewegen. Dem Leser wird nahegelegt, dass Vögel auch individuelle Charaktere und Eigenschaften haben, die zum Vorschein kommen. So ist diese "Liebe" zu ihren Freunden seitens der Erzählerin immer spürbar.
Abseits der vielen, schönen Vogelerinnerungen werden aber auch interessante Themen in Bezug auf den Menschen aufgegriffen. Dies geschieht meist in Verbindung zu Howards Familie oder den Menschen, die ohne Rücksicht Brutstätten zerstören. Zum Beispiel geht es um das Bedürfnis vieler, andere ständig belehren und verbessern zu wollen. Sie scheinen stets zu wissen, was das Beste für einen sei und haben dabei vielleicht ihr eigenes Leben kaum unter Kontrolle. Es geht dabei um das Vertrauen auf sich selbst, nach dem zu Streben, was einen vervollständigt.
Ebenso wird deutlich, dass Howard genug von zerstörerischen Machenschaften hat und sich wünscht, dass man die Natur in Frieden lässt. Hier wird auch ein Appell an die Leser deutlich, dass man nicht alles zubetonieren sollte, dass die Erde auch einfach die Möglichkeit haben muss zu atmen.
Das Buch macht wahnsinnig Lust darauf, sich mal die Zeit zu nehmen oder einfach mal stehen zu bleiben, wenn ein Vogel vorbeifliegt und ihn zu beobachten. Zu lauschen, welche Geräusche er macht, wie er kommuniziert. Denn nicht nur Menschen sind dazu in der Lage.
Besonders schön ergänzend und beeindruckend fand ich zum Schluss die angefügten Bilder von Vögeln, die bei Len Howard gewohnt haben. Man sieht, wie zugänglich sie sein können, wie viel Vertrauen sie einem schenken, wenn man ihnen nur mit Respekt und Zuneigung entgegentritt.

“»Aber mit Menschen kann man sprechen.« Der Student nickt über sein Heft.

»Die Vögel sprechen genauso. Mir ihrer Stimme, ihrem Körper, ihren Bewegungen. Außerdem garantiert menschliche Sprache nicht das gegenseitige Verständnis.« Worte können vertuschen, verschleiern, ein plötzliches Eigenleben entwickeln, lange nachdem sie ausgesprochen wurden.“ S.270

INSGESAMT: Ein Buch, das alles in sich trägt und doch keinen lauten Knall hinterlässt, sondern sich wohlig an den Leser anschmiegt. Diese romanhafte Biographie ist klug, träumerisch, aber auch präzise und bestärkend. Es werden sehr schöne Vogelbeschreibungen, wie auch Erinnerungen angeführt, wodurch sich ein Interesse für diese Tiere entwickelt. Zudem wird die Lebensgeschichte von Len Howard schön mit eingewoben, auch wenn man bei manchen Bekanntschaften nicht genau weiß, wie sie verblieben sind. Grundsätzlich ein schönes Buch, das uns dazu einlädt, die Augen in Bezug auf die die Natur offen zu halten und einen darin bestärkt seine Interessen zu verfolgen, auch wenn das bedeutet, "anders" zu sein.

Kommentare

AnnBee kommentierte am 15. September 2018 um 12:07

Eine sehr schöne Rezension!