Kluger Pageturner
Bewertet mit 5 Sternen
Eins weiß ich nach diesem Buch, nämlich dass ich dringend den Debütroman ("Mama") von Jessica Lind lesen muss. Die "Horrorelemente" haben mich damals noch abgeschreckt und nur für den Fall, dass es euch bei "Kleine Monster" auch so gehen sollte: nein. Dieses Buch ist sehr subtil in seiner Schaurigkeit, es weitet Genregrenzen, kreiert Neues und wer ein wenig Nervenkitzel beim Lesen mag, der greife zu!
Im Zuhause von Pia, Jacob und ihrem Sohn Luca herrscht Harmonie, ein glückliches Familienleben - bis die Eltern aufgrund eines Vorfalls in die Grundschule bestellt werden. Hat ihr Sohn sich übergriffig verhalten? Luca schweigt dazu. Und Pia, die das Dunkle kennt, meint es wiederzuerkennen bei ihrem eigenen Kind.
Dieses Buch ist ein absoluter Pageturner und zwar nicht von der Art, die auf einen großen Knall hinarbeitet (auf den häufig Ernüchterung folgt), sondern in Form von einer raffinierten Spannung, die durch ein Echo einer traumatischen Vergangenheit in der Gegenwart entsteht. Wie Schatten schleichen sich Fragen in Pias Wahrnehmung. Ist das noch kindliche Neugier oder schon Boshaftigkeit? Ist das Schweigen manipulativ oder sehnsuchtsvoll? Bedeutet das Misstrauen gegenüber ihrem Kind Verantwortung oder Zerstörung? Jessica Lind schreibt über unterschiedliche Arten des Verlusts, über Regeln für Kinder und Ausdrucksweisen von Liebe, über Familiendynamiken, darüber, Kindern hilflos ausgeliefert zu sein. In Vergangenheit und Gegenwart sind Leerstellen, die von Pia unbewusst gefüllt werden. Die Autorin schreibt darüber spannungsvoll, herausfordernd und ja, auch ein wenig schaurig. Ich mag bei diesem Buch den Anfang und das Ende und alles dazwischen, es ist wirklich unheimlich gut aufgebaut. Selten habe ich verschiedene Zeitebenen so gut miteinander verbunden gelesen, sie wechseln sich ab, wirken aber vielmehr übereinander gelegt, ganz klar zwei Seiten, aber nur eine Medaille. Ich fand es richtig gut und kann es absolut überzeugt weiterempfehlen!