Rezension

Knasterfahrungen eines Autors

Freiheit ist 49 - Constantin Himmelried

Freiheit ist 49
von Constantin Himmelried

Bewertet mit 5 Sternen

Diese Überschrift für meine Rezension wähle ich nicht aus dem Grund, dass Constantin Himmelried zum Zeitpunkt seiner Verhaftung bereits Autor war, sondern, weil ihn diese Zeit zum Schreiben gebracht hat und man als Leser ein Buch ganz anders wertschätzt, wenn die Geschichte zum verfassenden Autor gehört.

 

Einige Leser, die den Autor auf Facebook begleiten, werden mitbekommen haben, dass es dort Diskussionen zum Thema Titel und Cover gab.

Ich habe meine Meinung auch kundgetan und bin nach dem Lesen nun sehr glücklich, dass alles anders kam. Ich habe für ein anderes Cover abgestimmt. Allerdings muss ich im Nachhinein sagen, dass solche Entscheidung sehr schwer zu treffen ist, wenn man die Geschichte hinter dem Titel und dem Cover nicht kennt.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass beide getroffenen Wahlen perfekt zu diesem Buch passen. Für viele Leser mag der Titel ein wenig abschreckend sein, einfach weil man diesen nicht wirklich einzuordnen weiß.
Was bedeutet dieses „Freiheit ist 49“?

Ich als Leserin und Rezensentin kann euch nur sagen, dass man dieses Buch allein um dieser Frage auf den Grund zu gehen, lesen sollte. Mich hat die Auflösung überrascht und sehr berührt.

 

Das Buch startet mit einer Einführung, in der der Autor Constantin Himmelried dem Leser sehr private Fakten entgegenbringt. Gleich zu Beginn legt er die Karten, wieso er verhaftet wurde, offen auf den Tisch. Bereits an dieser Stelle zog ich meinen imaginären Hut. Für solche Darlegungen und allgemein für den Mut zu diesem Werk gebührt ihm mein Respekt, denn ich finde, dass gerade das Thema Knast in unserer Gesellschaft noch sehr tabuisiert wird.

 

Im Folgenden berichtet der Autor über die lange Zeit in Untersuchungshaft. Seine Erlebnisse, seine Gefühle, aber auch seine Erkenntnisse spielen eine große Rolle.

Bereits sehr schnell wird ihm klar, dass er nun zuerst zu sich selbst finden muss, um diese Zeit zu überstehen.

 

„…hatte ich doch in meinen Augen überhaupt keine Fehler gemacht. Schließlich hielt ich mich für perfekt. Schuld waren immer die anderen.“ (S. 21f.)

 

Ebenfalls steht er offen zu seiner Persönlichkeit „vor dem Knast“.

Er selbst bezeichnet sich als arrogant. Aufgrund seiner Beschreibungen kann man dem als Leser sehr gut zustimmen. Interessanter ist es jedoch, als der Autor diesen Punkt an vielen Stellen im Buch selbst bemerkt. Wieso verurteilt man arrogante Menschen vorschnell? Constantin Himmelried findet im Knast eine Erklärung.

Diese Personen stellen einen vorgehaltenen Spiegel dar.

 

„Sei ehrlich zu dir selbst und beurteile dich, wie du andere beurteilst.“ (S. 69)

 

Im weiteren Verlauf zeigt der Autor auch Schwäche. Ein Fakt, der bereits in seinen einführenden Worten besprochen wird, ist der Punkt, dass nicht nur er verhaftet wurde, sonder mit ihm auch sein Vater. Dieser Umstand hat Himmelried schwer zu schaffen gemacht. Die Tätertrennung macht es ihm nicht möglich Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen. Und doch gibt es besondere Momente. Momente, in denen der Autor pures Glück empfindet und vor Glück weinen kann.

Auch Wörter wie WERTSCHÄTZUNG UND DANKBARKEIT haben durch die Knasterfahrung einen ganz anderen Stellenwert für den Autor.

Diese beiden Themen und noch ein weiteres, auf das ich gleich noch eingehen werde, haben mich selbst stark zum Nachdenken gebracht.

 

„Es brauchte den Knast, um zu erkennen, dass ich bei ganz vielem ganz falsch lag.“ (S. 77)

 

Für viele Menschen mag es schwer sein, dies zu ertragen, Himmelried bezeichnet im Verlauf des Buches seine „Allein-Zeit“ als Freude. Menschen, denen jegliche Freiheit genommen wurde, bleibt nichts anderes übrig, als sich mit dieser Gegebenheit positiv zu stellen.

 

Der Autor beschreibt in seinem Roman aber nicht nur die Zeit im Knast, sondern auch die Zeit danach. Und gerade diese ist für viele Ex-Inhaftierte eine sehr schwierige Zeit. Auch Constantin Himmelried hat mit der Zeit nach dem Knast zu kämpfen. Und hier spricht er das dritte Thema an, welches mich und viele andere Leser und Menschen zum Nachdenken anregen sollte.

Nach 4 Jahren Knast stellt er fest, dass der Gipfel der Oberflächlichkeit durch Social-Media-Kanäle und andere Plattformen erreicht ist.

Man benutzt Whats-App, anstatt zu telefonieren.

Man ist darauf aus, persönliche Dinge preiszugeben, die man als Kind in ein Tagebuch geschrieben hat, mit dem Hintergedanken, dass diese Einträge niemals jemand zu Gesicht bekommt.

Erschreckende Einsichten, aber wahre Worte.

Allerdings wird dieser Umstand nur Menschen auffallen, die eine Zeit lang ohne diese Technologisierung gelebt haben.

 

„Auf keinen Fall wollte ich meine wertvollen Erkenntnisse, die der Knast mir geschenkt hatte, über Bord werfen, indem ich einfach so in das Leben „draußen“ hineinglitt.“ (S. 154)

 

Im zweiten Teil des Buches geht der Autor zum einen auf typische Vorurteile ein, die man über das Thema Gefängnis im Hinterkopf hat. Hier war ich sehr gespannt, weil uns Menschen vor allem durch Filme oder Dokumentationen über den amerikanischen Knastalltag falsche Bilder eingeimpft werden. Aber er richtet seine Worte auch an Angehörige von Inhaftierten und Opfern, an von Inhaftierung bedrohten und allgemein an unsere Gesellschaft.

 

Das letzte Drittel gibt dem Leser Aufschluss über Knastbegrifflichkeiten.

Constantin Himmelried benutzt in seinem Buch typische Redewendungen, welche im Gefängnis Einzug nehmen. Mich hat dies beim Lesen nicht gestört und ich habe am Ende gerne die eine oder andere Erklärung durchgelesen.

 

Mein Fazit

Solche Bücher sind für uns Rezensenten immer wieder schwer zu rezensieren.

Gerade gemachte Erlebnisse und die daraus mitgenommenen und niedergeschriebenen Erkenntnisse eines Menschen kann man nicht in gut oder schlecht einteilen. Für meine Person muss ein solches Buch leserlich sein und packen können. Dieses kann der Autor zum einen mit einer interessanten Thematik, aber ich mag auch den Aufbau des Buches und den Schreibstil. Ich möchte ihn zum Teil als einfach und sachlich bezeichnen, aber gerade zum Ende jedes Kapitels schwingen Emotionen in seinen Sätzen mit. Vor allem diese letzten Sätze eines Abschnitts haben mich meist zum Nachdenken anregen können und wurden von mir markiert.

Auch mit seinem zweiten Buch kann mich Constantin Himmelried begeistern.

Vielen Dank für diesen Einblick in Ihre ganz persönliche Geschichte.

Ich freue mich auf Weiteres!