Rezension

Köln zur Zeit der Nazidiktatur

Das Mädchen aus der Severinstraße - Annette Wieners

Das Mädchen aus der Severinstraße
von Annette Wieners

Bewertet mit 4 Sternen

"Das Mädchen aus der Severinstraße" von Annette Wieners, erschienen im Blanvalet Verlag, ist die Geschichte eines 17jährigen Mädchens mit einem Traum, wie ihn viele junge Mädchen auch heute träumen. Nur ist die Zeit eine andere und der Traum damit fast unerfüllbar. Die junge Maria Reimer aus Köln hat sich 1937 in den Kopf gesetzt Model zu werden und bewirbt sich ohne das Wissen ihres Vaters in einem Atelier in Düsseldorf. Dort verliebt sie sich Hals über Kopf in den jüdischen Fotografen Noah, dessen Schicksal zeitlebens mit dem ihren verbunden bleiben wird. Sowohl ihr Vater, als auch Noah wollen verhindern, dass ihr Gesicht für die Nazipropaganda vermarktet wird, was sie als naiver Tennager vielleicht ahnt, aber nicht wirklich durchblickt. Ihr Benehmen ist dann auch oft sehr grenzwertig und gefährlich in einer Zeit, wo an jeder Ecke ein Spitzel auftauchen könnte. Auf der anderen Seiten bezieht sie trotz ihrer Jugend Haltung und das fand ich toll.

Ein zweiter Erzählstrang führt in die Jetztzeit. Bei einer Aufräumaktion im Haus der Großmutter entdeckt die Enkelin von Maria unter dem Teppich einen größeren  Geldbetrag. Der verstorbene Großvater muss diesen geheimen Schatz wohl versteckt haben und die Großmutter ist geschockt und erzürnt. Offensichtlich gibt es in der Familiengeschichte doch noch große Lücken, über die die Großmutter beharrlich schweigt. Sabine versucht Recherchen über den Großvater anzustellen, um Genaueres zu erfahren. Nach und nach wird dann die Familiengeschichte aufgedeckt.

Das Buch war spannend erzählt, auch wenn ich den Schreibstil zuweilen als etwas sperrig empfunden habe. Das heute so weltoffene Köln, war offensichtlich eine Nazihochburg, was mich ziemlich geschockt hat, weil ich es tatsächlich nicht wusste. Es gab Lager mitten in der Stadt, die Keinem verborgen bleiben konnten. Das ganze Grauen dieser Zeit ist gut nachfühlbar und macht zutiefst betroffen.

Die Ähnlichkeiten zwischen Maria und Sabine, die sich beide sehr für ein Kind einsetzen, Maria für einen kleinen jüdischen Jungen und Sabine die in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiterin des Jugendamts für einen vernachlässigten, mißhandelten Jungen, waren mir ein bisschen zu gewollt und offensichtlich. Am Ende des Buches bleiben auch leider ein paar Fragen offen.

Die Autorin hat in ihrer Geschichte Erinnerungen ihrer Großmutter mit verarbeitet, was ich ausgesprochen interessant fand. Im Anschluss an die Geschichte erfährt man was tatsächlich so passiert ist und was rein fiktiv war. Erstaunlicherweise sind die Dinge die man für eher erfunden gehalten hat, dann die, die die Großmutter der Autorin genau so erlebt hat.

Das Buch ist auf jeden Fall fesselnd und lesenswert. Aus oben genannten Gründen hat es mich aber nicht zu 100 Prozent überzeugt.