Rezension

König Fußball regiert die Welt?

Nicht wie ihr - Tonio Schachinger

Nicht wie ihr
von Tonio Schachinger

Ivo ist "nicht wie ihr": Er verdient 100.000 Euro pro Woche, hat eine Frau mit perfekten Brüsten und wird ständig um Autogramme gebeten - Ivo ist Fußballspieler, ein Star. Dagegen können alle anderen nicht anstinken, sie sind Hurenkinder, Opfer, Trottel. Aber irgendetwas fehlt auch in seinem Leben...

Ein Jahr im Leben eines (fiktiven) Fußballstars: Der Debutroman von Tonio Schachinger bietet einige Einblicke in die Fußballwelt. Die großen Stars sind gar nicht so frei, wie wir (und vielleicht auch sie selbst) glauben. Da sind nicht nur die ständige Terminhetze, bei der sich alles um den Fußball und die Fitness dreht; der permanente Leistungsdruck, der kein Formtief verzeiht; das überall im Mittelpunkt-Stehen, mit den Augen der Öffentlichkeit immer auf sich. Fußball ist ein knallhartes Geschäft, bei einer Vertragsverlängerung oder Ablösung geht es um Millionen. Die Stars werden eingenordet, was sie zu sagen oder zu verschweigen haben, sie erhalten Kommunikationstraining oder vielleicht engagieren sie selbst einen Image-Manager. Eine neue Frisur oder ein neues Tattoo ist kein Ausdruck von persönlichem Lebensstil, sondern ein geplanter Schachzug in diesem Spiel um das Spiel. 

Und dann ist da noch die Persönlichkeit des Spielers: Ivo erfüllt all die Vorurteile, die sich an einen Fußballstar richten. Er ist ungebildet, ein Proll, hat es nicht so mit dem Reden, will immer im Mittelpunkt stehen und kann sich nicht in andere Menschen einfühlen. Köstlich die Szene, in der Ivo seiner sechsjährigen Tochter die griechische Sage von Narziss vorliest (s.u.). Viel später dämmert es ihm und er fragt sich, ob er vielleicht auch ein Narzisst sei. Der Mannschaftspsychologe beruhigt ihn mit Floskeln und Ivo findet, dass auch der Psychotyp selbst ein bisschen gestört ist. Damit ist die Selbsterkenntnis aber schon wieder vorbei. 

Ivo, der sich selbst als Mittelpunkt empfindet, wird mir als Leser nicht sympathisch; nahe kommt er mir nur da, wo die Maske etwas verrutscht und unter der Großspurigkeit die Verunsicherung hervorblitzt. Als Portrait eines Egomanen ist der Roman gelungen. Glaubwürdig ist auch die Sprache, mit der Schachinger Ivos Gedanken verfolgt: Einfaches Vokabular, Fußball-Jargon, viele Satzreihen, und dazu ungewöhnliche Ausdrücke, die vermutlich Österreicher Dialekt sind. Der Sprachstil hat mich amüsiert und gut unterhalten, aber das ständige Kreisen um Ivo hat mich gelangweilt. Daher mein Fazit: Ja, das Buch hat seine Stärken, aber es spricht mich dennoch nicht an.

Zum Abschluss ein Zitat (S. 191): "Also liest Ivo seiner Tochter die Geschichte von Narziss vor, einem schwulen Typen, der auf sich selber steht und eigentlich niemandem etwas Böses tut, außer irgendeine Frau nicht zu erhören, die auf ihn steht. Und weil die nicht mit der Ablehnung klarkommt, verflucht sie ihn. Was soll das seiner Tochter sagen? Dass man sich nicht zu oft in den Spiegel schauen soll, OK, aber das war ja nicht der Fehler. Der Fehler von Narziss war einfach, Pech zu haben und an eine böse Frau zu geraten, die, wenn man ehrlich ist, ihn sowieso verflucht hätte, wenn nicht deswegen, weil er sie nicht angeschaut hat, dann später, wenn sie draufgekommen wäre, dass er schwul ist, oder sie sich nach ein paar Jahren Ehe langweilt. Also, was hätte er machen sollen?"

Das Buch steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2019.