Rezension

Könnte etwas mehr Spannung vertragen, trotzdem lesenswert

Das Gerücht - Lesley Kara

Das Gerücht
von Lesley Kara

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Spannung könnte etwas ausgeprägter sein. Trotzdem konnte mich dieser ruhige Thriller mit einer guten Prämisse und einer überraschenden Auflösung unterhalten.

Alles beginnt ganz harmlos: Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie von London in eine Kleinstadt am Meer, um noch einmal neu anzufangen, da Alfie in seiner alten Schule gemobbt wurde. So weit, so gut. Eines Tages hört Joanna, dass die Kindermörderin Sally McGowan, die als Zehnjährige einen Freund umgebracht hat, unter anderem Namen in der Stadt leben soll. Obwohl Joanna eigentlich keine Gerüchte verbreiten mag, erzählt sie anderen Müttern davon. Sie ahnt nicht, was sie damit lostritt. Das Gerücht zieht immer weitere Kreise. Bis Joanna plötzlich Drohungen erhält und befürchten muss, in den Fokus von Sally McGowan geraten zu sein.

Lesley Kara stellt mit Joanna eine Protagonistin in den Mittelpunkt, die eher gewöhnlich als ausgefallen ist. Immobilienmaklerin, alleinerziehende Mutter. Weder besonders ex- noch introvertiert. Man kann sich mit ihr identifizieren; mit ihrer natürlichen Neugier und den schwachen Momenten, in denen sie Dinge weitererzählt, um sich interessant zu machen bzw. als Neue von den Kleinstadtmamas akzeptiert zu werden. Gar nicht einmal unbedingt um ihrer selbst willen, sondern vielmehr aus Angst, ihrem kleinen Sohn könnten Nachteile entstehen, wenn sie als Mutter nicht integriert ist. 

Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Joanna plappert sich mehrfach um Kopf und Kragen. Aus einem Gerücht wird ein konkreter Verdacht. Aus einem Verdacht, zielgerichtete Wut. Und man fragt sich, wo das hinführen mag. Lebt Sally McGowan wirklich in der Stadt? Geht von ihr eine Gefahr aus? Oder muss man sich eher um die Hexenjagd Sorgen machen, die einige Bewohner veranstalten? 

Stellenweise wünscht man sich für diese pfiffige Geschichte einen strafferen Spannungsbogen. Joannas Alltag wird für meinen Geschmack doch etwas ausufernd mit vielen unnötigen Ausschmückungen dokumentiert, ein Manko, das leider viele Thriller aufweisen. Andererseits bleibt Lesley Kara durchgehend glaubwürdig und erspart uns LeserInnen etliche populäre Manöver aus dem Schema-F-Baukasten des Kriminalromans, wie etwa dramatische Cliffhanger am Endes jeden Kapitels. 

Wer also gerne herumknobelt und dabei auch ohne Blut auskommt, der sollte in „Das Gerücht“ durchaus einmal einen Blick werfen. Die Geschichte ist sicher nicht spektakulär, aber stimmig und clever erdacht.