Rezension

Komplexe Familiengeschichte

Nur nachts ist es hell -

Nur nachts ist es hell
von Judith W. Taschler

Bewertet mit 4 Sternen

„...Ich hatte das Glück, behütet aufwachsen zu dürfen, mein Vater war ein wohlhabender Kaufmann und Händler. Ich war das Nesthäkchen...“

 

Mit diesen Zeilen beginnt Elisabeth den Bericht für ihre Großnichte. Dass die persönliche Anrede ihrer Großnichte gilt, wird allerdings erst viel später klar.

Die Autorin erzählt eine komplexe Familiengeschichte. Der Schriftstil ist anfangs sehr fein ausgearbeitet und enthält einen gewissen Sarkasmus. So äußert sie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges:

 

„...Wieder große Töne der Machthaber im Rundfunk und unerträgliche Euphorie, die Menschen wurden offenbar nicht klüger...“

 

Später allerdings wird die Geschichte fast sachlich erzählt. Die gewisse Leichtigkeit des Anfangs verschwindet.

Man sollte wissen, dass es einen Vorgängerband gibt. Den kenne ich nicht. Trotzdem hatte ich keine Probleme, der Handlung zu folgen.

Elisabeth beginnt mit einer Kurzfassung ihres Lebenslaufes. Danach kommen kurze Erinnerungsbruchstücke. Die kommentiert sie so:

 

„...Letztendlich ist das, woran man sich erinnert, nicht immer dasselbe wie das, was man wirklich erlebt hat...“

 

Danach geht sie auf spezielle Punkte ihres Lebens und der Familiengeschichte ein. Das geschieht nicht immer chronologisch. Elisabeth hat Medizin studiert, einen wesentlichen Teil des Buches nehmen deshalb die Stellung der Frau in der Medizin und die auf sie zukommenden Probleme in Studium und Beruf ein. Außerdem werden wichtige Stadien in der Entwicklung der Medizin während Elisabeths Leben dargelegt.

Die Familiengeschichte enthält einige überraschende Wendungen. Das betrifft insbesondere ihre ältesten Brüder, die Zwillinge Carl und Eugen.

In der Familie wurden gute Diskussionen gepflegt. Das ging auch in philosophische Richtung.

 

„...Das Leben ist ein Geschenk, um das niemand gebeten hat. Dennoch hat der denkende Mensch die philosophische Pflicht, das Wesen des Lebens wie auch die damit einhergehenden Bedingungen zu erforschen...“

 

Georg, Elisabeths Mann, hat sie beim Studium unterstützt. Danach haben sie zusammen in einer Praxis gearbeitet. Auch nach der Geburt der beiden Kinder war Elisabeth weiter berufstätig. Das war nach den Ersten Weltkrieg normalerweise nicht die Regel.

Im hinteren Teil des Buches befindet sich ein Stammbaum.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen.