Rezension

Komplexer Thriller aus dem Baskenland - Serienauftakt

Die Stille des Todes - Eva García Sáenz

Die Stille des Todes
von Eva García Sáenz

Bewertet mit 4.5 Sternen

In der Kathedrale von Vitoria, der Hauptstadt des Baskenlandes, werden an einem Feiertag die Leichen eines jungen Mannes und einer Frau gefunden. Ermittler sind Unai López de Ayala, der eine Ausbildung zum Fallanalytiker abgeschlossen hat, und seine Kollegin Estibaliz (Esti). Beide sind berüchtigt für ihren Hang zu Alleingängen und den elastischen Stil, mit dem sie Vorschriften auslegen. Ein ideales Team also. Das Verbrechen lässt die Nerven aller bloßliegen; denn es ist nicht der erste Doppelmord in der Stadt und bisher glaubte die Öffentlichkeit den Täter von damals hinter Schloss und Riegel. Innerhalb von zwanzig Jahren sind paarweise zuerst Babys, dann Kleinkinder und später Jugendliche ermordet worden. Die Wahl der Opfer scheint sich geordnet nach ihrem Alter parallel zum Verlauf der  Stadtgeschichte zu entwickeln. Öffentlichkeitswirksame Platzierung der Toten und die „Handschrift“ des Täters deuten nun wieder auf einen ungewöhnlich klugen Serienmörder hin. Ist inzwischen ein Nachahmer am Werk, fragt man sich, oder könnten damals betroffene Familienangehörige auf sich aufmerksam machen? Unai selbst, der Frau und Kinder verloren hat, scheint mitten im Fadenkreuz des Täters zu stehen. Notgedrungen wird er mit dem für die früheren Morde  verurteilten Tasio zusammenarbeiten müssen, dessen Entlassung aus der Haft kurz bevorsteht.

Gemeinsam mit Esti versucht Unai, aus der reichen Symbolik der Taten eine Spur zum aktuellen Täter aufzunehmen. Zunächst müssen die beiden einen Unbekannten aufspüren, der im Auftrag des verurteilten Täters nicht nur die  IT der Polizei lahmlegt, sondern virtuos über  Soziale Medien Kontakt zu Unai sucht – Hashtag #Kraken, Unais Spitzname aus seiner Jugend. Aus einer Clique Gleichaltriger, die zusammen zur Schule gingen, hat sich in Vitoria eine Art Burschenverein entwickelt, dessen sicheres Netz ein Geben und Nehmen voraussetzt. Für Unai bedeutet das, dass er sich den Pressevertreter nicht aussuchen kann, mit dem er gern kooperieren würde.

In einem zeitversetzten Handlungsstrang heiratet 1970 eine Frau einen gewalttätigen Ehemann und beginnt ein gefährliches Spiel mit ihm.

Ein beunruhigender Prolog, zwei Handlungsstränge, zwei Icherzähler, mehrere Tatorte, eine bedrohlich wachsende Zahl von Opfern – all das fügt Eva García Sáenz de Urturi zu einem komplexen, spannenden Plot, der fest in der Regionalgeschichte des Baskenlandes verankert ist. Angenehm fand ich, dass zur leichteren Orientierung jedes Kapitel mit Ort und Datum überschrieben ist. Pluspunkte verdienen auch Karte und Stadtplan in den Umschlagklappen und ein ausführliches Personenverzeichnis im Anhang. Dass die Autorin parallel zum möglichen Serienmord die Geschichte ihrer Geburtsstadt und ihres Stadtviertels erzählen will (und sogar eine Figur mit ihrem Familiennamen ersinnt) lässt den Plot an einigen Stellen überladen wirken. Wettgemacht wird das winzige Manko jedoch durch die Vielzahl an genau gezeichneten Nebenfiguren, eindrucksvolle Schauplätze in Stadt und Land und die umfangreiche Recherche, z. B. zu historischen Heilkenntnissen. Als erster Band einer in Spanien bereits erschienen Trilogie überzeugt der Thriller -  und profitiert davon, dass das Baskenland als Schauplatz bisher weniger überlaufen ist als z. B. Frankreich.