Rezension

Kopf aus, Herz an!

The Music of What Happens -

The Music of What Happens
von Bill Konigsberg

Ein Food-Truck, an dem die Hoffnung der ganzen Familie hängt, und dieser stets breit grinsende, attraktive Junge, der hier anfängt zu arbeiten – das ist «The Music of What Happens» von Bill Konigsberg – eine Rezension von Johannes Streb

Jordan ist schlank, introvertiert, literaturbegeistert, lebt zusammen mit seiner Mutter in einer kleinen Wohnung. Das Einzige, was von seinem Vater übrig ist: Ein leerstehender Food-Truck. Seine Mutter ist psychisch überfordert; das finanzielle Überleben der Familie bleibt an ihm hängen. Er befürchtet das Schlimmste. Bis Max auftaucht und fortan in dem alten Wagen mithilft. Eine besondere Beziehung beginnt.

Triggerwarnung: Ernste Thematiken als wichtiger Aspekt
Jordan und Max sind die beiden Hauptfiguren, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird: Beide tragen ihre eigenen Sorgenpakete mit sich herum, in ihnen brodelt ein Emotionskochtopf. Nur so viel: Die Triggerwarnung zu Beginn des Romans ist nicht ohne Grund angebracht.

Die Ansprache von ernsten Thematiken wie Rassismus, Sucht, sexueller Missbrauch und Selbstzweifel ist einer der stärksten Aspekte des Buchs. Der Autor personifiziert einige Tabuthemen durch seine zwei unterschiedlichen Protagonisten und zeigt den Leser:innen, dass der Umgang mit den eigenen Ängsten alles andere als einfach ist, sie mit diesen Problemen aber nicht alleine sind.

Sprache ist Macht, zeigt auch dieses Buch
Der Schreibstil lädt zum gemütlichen Schmökern ein. Schnell konnte ich mich in dem Geschehen zurechtfinden und mit dem kleinen Figurenensemble anfreunden. Trotz eines stolzen Buchumfangs von etwa vierhundertfünfzig Seiten fühlte ich mich durchweg gut unterhalten. Sowohl der flüssige Einstieg als auch der unmittelbare Schluss erinnerten mich vom Charakter eher an eine Kurzgeschichte.

Was Max und Jordan für mich aber am authentischsten machte, waren die sich rasch wechselnden Gedankenströme während eines Chats oder Gesprächs: Wie leicht Menschen von Bemerkungen eingeschüchtert, verletzt und besorgt werden – und welche Macht daher mit der Verwendung unserer Sprache einhergeht. Diese inneren Reaktionen der beiden zeigen das Fingerspitzengefühl für kleine Alltagsbeobachtungen des Autoren.

Vorhersehbarer Plot, garniert mit blassen Nebencharakteren
Leider lässt sich der gesamte Handlungsbogen schnell durchschauen. Dass die beiden mehr verbindet als "nur" eine Freundschaft und dass dieses Buch gewiss nicht ohne Happy End auskommt, ist bereits nach dem ersten Kapitel ersichtlich. Ich hätte mir mehr Mut zum Ausbrechen aus gewohnten Strukturen und weniger Schwenker in kitschdurchtränkte Situationen gewünscht. Dadurch wäre der gesamte Roman abwechslungsreicher geworden.

Zudem störte ich mich mehrfach an den durchweg eintönigen und blassen Nebencharakteren. Da gibt es die typisch maskulinen Jungs, die nur über Videospiele reden und sexuelle Witze machen, und die klischeehaften besten Freundinnen von einem schwulen Jugendlichen, deren Klatschgespräche vor Belanglosigkeit nur so triefen. Das erinnert mich an unzählige, mehr schlecht als recht produzierte Hollywood-Streifen, denen "Heteronormativ!" mit wasserfestem Edding auf das verblasste DVD-Cover geschrieben wurde.

Versuch, progressiv zu sein, scheitert
Der Roman möchte zwar progressiv wirken und Jugendlichen Fläche zur Identifikation bieten, scheitert bei diesem Versuch aber durch seine altertümlich wirkenden Ansichten. Jordan und Max reduzieren ihr Gegenüber selbst zu oft auf ihre Sexualität, als auf den Menschen dahinter zu schauen – und genau da liegt das Problem.

Die Eigenschaft "schwul" scheint für sie wichtiger zu sein als Persönlichkeit und Charisma. Anstatt sich dieser Denkweise entschieden entgegenzutreten, beugen sie sich der gesellschaftlichen Norm und gewähren homophobe Witze schmallippig. Und das im Jahr 2020 (wobei, die amerikanische Originalausgabe erschien bereits letztes Jahr).

Umso erfreulicher finde ich daher die charakterliche Entwicklung, die sowohl die beiden Protagonisten als auch einige der Nebenfiguren durchschreiten – indem sie lernen, dass Kommunikation ein Schlüsselbegriff für die Lösung vieler Konflikte ist, dass man sich die eigene Schwäche selbst eingestehen darf, dass man oftmals Menschen verletzt, ohne es zu wollen. Diese Erkenntnisse geben der Leserschaft motivierende Botschaften mit auf den Weg.

«The Music of What Happens» ist kurzweilig und kitschig – Kopf aus, Herz an.