Rezension

Kraftvolle Innenansicht

Schicksal -

Schicksal
von Zeruya Shalev

„Das Leben drängt nach vorne, aber erst im Rückblick kann man es verstehen.“ (Seite 362)

Zeruya Schalev hat mit Schicksal einen kraftvollen Roman geschrieben über eine Frau, Atara, die wie der Titel sagt vom Schicksal be- bzw getroffen ist. Zunächst stirbt ihr Vater, der ihr ein schweres mentales Erbe mitgibt auf den letzten Metern, denn es gab in seinem Leben eine Ehefrau vor ihrer Mutter – Rachel. Diese zu finden ist eine intensive Bestimmung für Atara. Doch dann schlägt das Schicksal anderweitig zu und aus meiner Sicht liegt der Fokus nicht in der Suche und der Aufarbeitung der Vergangenheit des Vaters, wie es der Klappentext leider vermuten lässt. Nein, dieser Roman ist Trauerbewältigung und Annahme des Schicksals.

„Bei keiner Wahl, die wir treffen, verstehen wir bis ins Letzte, was sie für uns bedeutet.“ (Seite 251)

Der Roman spielt in Israel, wo auch die Autorin Zeruya Shalev in Haifa zu Hause ist. Diese Geschichte ist stark in den Makrokontext Israels eingebaut und ist ohne diesen Überbau undenkbar. Denn es kommen auch starke geschichtliche Elemente vor, die den Mikrokosmos Ataras bestimmen. Auch ist der Roman sehr jüdisch geprägt. Mich hat besonders ein Abschnitt über das traditionelle Schiv’a (Trauerwoche sitzen). Trotz dieses Settings hätte es aus meiner Sicht, auch in Hinblick auf die zu erwartende Geschichte tiefe historsiche Einblicke sein können.

Vielleicht deshalb prasseln die Wörter so hastig aus ihrem Mund, verheddern sich, ein Wort tritt das andere, rollt nach vorne, zieht sich wieder zurück, aber sie macht weiter, sie wird nichts auslassen. (Seite 142)

Was den Roman auszeichnet ist die fulminante Sprache, diese feurige Prosa die Zeruya Shalev uns Leser:innen offenbart. Sie nimmt uns mit in die dunklen und die hellen Winkel der Protagonistin und das mit Worten, die passender nicht aneinander gereiht sein könnten.

Fazit: Ein gelungenes Buch, aber eher für eine ausgewählte Leserschaft.