Rezension

Kraftvoller literarischer Thriller?

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 3 Sternen

"Das Verschwinden der Erde" von Julia Phillips wird als kraftvoller literarischer Thriller beworben. Kann der Roman dieses Versprechen halten? Meiner Meinung nach schafft er es nur zum Teil, obwohl der Klappentext eigentlich nach einer sehr spannenden Geschichte klingt.

Die Geschichte spielt nämlich in Kamtschatka, was ich schonmal außerordentlich interessant fand, denn ich habe noch nie ein Buch gelesen, was auf dieser Halbinsel im Osten Russlands spielt. Es geht um das Verschwinden der beiden Schwestern Aljona und Sofija. Eine Frau konnte beobachten, wie die beiden Mädchen in ein Auto steigen. Seitdem fehlt von den beiden jede Spur. Jedoch verlaufen die polizeilichen Ermittlungen trotz dieser Beobachtungen im Nichts. Dieses Verschwinden der Schwestern erinnert an einen ähnlichen Fall der sich einige Zeit zuvor ereignete. Dort war nämlich die 18-jährige Lilja verschwunden, ein Mädchen aus einer indigenen Bevölkerungsgruppe. Die Polizei stellte auch hier recht schnell die Ermittlungen ein.

Nun habe ich dank des Klappentextes und der Aussage, dass es sich um einen kraftvollen literarischen Thriller handle, auch mit einer spannungsgeladenen Geschichte gerechnet, die das Aufklären des Verschwindens der drei Mädchen in den Vordergrund stellt. Dahingehend wurde ich aber leider etwas enttäuscht. In dem Roman geht es um eine Vielzahl von Personen, die von dem Verschwinden der Mädchen in irgendeiner Weise betroffen sind. Die einzelnen Kapitel sind daher eigentlich eher eine Aneinanderreihung der verschiedenen Schicksale der Personen, auch wenn das Verschwinden der Mädchen das verbindende Element ist. Ich muss sagen, dass mir durch dieses episodenhafte Erzählen und dem Perspektivenwechsel in jedem Kapitel die Spannung einfach zu kurz kam. Interessant war, dass Julia Phillips immer aus der Sicht einer Frau erzählt und es auch durch das Ansprechen von Thematiken wie z.B. Frauenfeindlichkeit ein sehr feministisches Buch ist.

Der Schreibstil von Julia Phillips ist sehr angenehm zu lesen, aber mir fehlte einfach das gewisse Etwas in diesem Roman. Die Grundidee ist absolut interessant, aber an der Umsetzung scheiterte es doch etwas. Ich hätte mir gewünscht, dass es eine Erzählinstanz gegeben hätte, die sich durch das ganze Buch zieht. Denn man hat sich kaum an die neuen Charaktere und deren Leben gewöhnt, ist das Kapitel auch schon vorbei und man muss sich wieder auf eine komplett neue Person und eine neue Erzählinstanz einstellen. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl, ich würde keinen zusammenhängenden Roman lesen, sondern nur Kurzgeschichten. Dies sorgte auch dafür, dass ich zu den Personen keine richtige Verbindung aufbauen konnte. Alles wirkte so distanziert und auch wenn die jeweiligen Schicksale, Leben und Gefühle der Personen erschreckend waren, haben sie mich doch nie zu 100 % erreichen können.

Auch das Ende fand ich leider eher schwach. Alles in allem war der Roman in Ordnung, aber kein Lesehighlight für mich. Ich hatte das Gefühl, Julia Phillips wollte sehr viel mit diesem Buch, scheiterte aber letztendlich an der Umsetzung.