Rezension

Krass

Edinburgh - Alexander Chee

Edinburgh
von Alexander Chee

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Februar besuchte ich "Gay´s the Word" in London und entdeckte Edinburgh als Empfehlung der Buchhändler im Regal. Als eines der wenigen Ausnahmen, kaufte ich es. Zeitgleich erschien die deutsche Ausgabe im Albino Verlag! Umso grösser wurde meine Lust das Buch zu lesen. 

"There is a hole in me the size of you, from where you came through."

Edinburgh erschien erstmals 2001 und hat viele autobiografische Elemente. Chee bestätigte als Chorjunge in seiner Jugend in Maine belästigt worden zu sein. Er lässt all seine negativen Erinnerungen in Fee fließen. Er baute sich ein Gefäß, eine Maske um alles los zu werden.
In diesem Coming-of-Age-Roman versucht ein missbrauchtes Kind mit seiner Scham und seinen Schuldgefühlen, ebenfalls mit Homosexualität und Identitätssuche klar zu werden. 
Seine koreanischen Großeltern versuchen ihm ihre Kultur näher zubringen, während sein Vater nicht möchte, dass Fee koreanisch spricht. 
Gefangen in dieser Welt aus verschiedenen Kulturen, seiner unerwiderten ersten homosexuellen Liebe, und der Schuldgefühle darüber den Chorleiter nicht bei der Polizei gemeldet zu haben, kann er nur lethargisch zusehen wie sich Peter in Selbstverletzung stürzt.
Später ist er es der sich in Drogen flüchtet. 
Doch um den Missbrauch geht es primär gar nicht mal so sehr, eher um die ganze Schuld, die Fee wegen seiner Entscheidungen darauf folgend empfindet. Unschlüssig hat er zugelassen, dass seinen Freunden aus dem Chor das gleiche wie ihm geschieht, und drängt seinen besten Freund und erste Liebe Peter dazu es nicht zu melden. Aus Scham. 
Dies hat erschütternde Folgen, nicht nur für ihn, und so fühlt er sich meistens als habe ein Geheimnis sein ganzes Leben verschlungen. 
Eine light Version von Hanya Yanagihara´s Little Life, hat dieser Titel nur 270 Seiten, aber fast genauso viel emotionale Tortur. Wobei ich persönlich finde, dass Chee die bessere Sprache und Stil hat. Fast poetisch wird die Qual beschrieben, jede Szene vage ummalt aber so stark im Gefühl, dass man sie wie aus einem Traum vor sich sieht. Diese Distanz, die Umspielung hilft das gelesene besser zu verdauen. Kein direkter Faustschlag in den Magen, man muss den Punch zwischen den Zeilen suchen, was ihn abschwächt. 
Definitiv kein Feel-Good Roman bringt er im Leser eine Bandbreite an Emotionen zum Vorschein und lässt diesen Roman dadurch unvergesslich werden. 

"I had the sense to leave, as he put it, without his asking. I wanted to leave, too. When you draw, you learn first that sunlight is the true judge, of color, of texture. Neither of us wanted to see each other that way, in the first light of waking."