Rezension

Krieg in den Köpfen

Vergessene Seelen
von Frank Goldammer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sommer 1948: Es ist heiß in Dresden, so heiß, wie die vorherigen Winter hundekalt waren. Max Heller wird in kurzer Zeit zu zwei unterschiedlichen Fällen gerufen: zuerst ein toter Junge, der auf einer Baustelle gefunden wurde, dann ein Mann, der kopfüber in einem Kanalloch hängt. Gehören die Todesfälle zusammen? Warum reagiert die Familie des Jungen so seltsam? Zwischen prügelnden Vätern, bandenbildenden Jugendlichen, resignierten Frauen, dem Krieg in den Köpfen der Menschen und unterschiedlichen Weltanschauungen gerät Heller bald in ein moralisches Dilemma, das auch in seiner eigenen Familie nicht Halt macht und ihn weit in die Vergangenheit zurückkatapultiert.

Natürlich sind die Fälle interessant, zweifellos. Doch die große Stärke des Buches ist die Fähigkeit des Autors, uns zurück in diese Zeit zu nehmen, die so grauenvoll war trotz Ende des Krieges. Nur weil es keine Kampfhandlungen mehr gab, bedeutete das ja nicht, dass plötzlich alle Leute im Kopf klar wurden. Es bedeutete auch nicht, dass es allen Menschen über Nacht gut ging, im Gegenteil. Die Leute hungerten, hatten keine vernünftigen Unterkünfte, alles gab es auf Marken, der Schwarzmarkt boomte. Ist es ein Wunder, dass sie auf Biegen und Brechen versuchten, irgendwie über die Runden zu kommen? Goldammer hat hier ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte abgeliefert, bei dem sich jeder selbst fragen kann, wie er sich wohl verhalten hätte.