Rezension

Kriegsbräute auf dem Weg nach England

Über uns der Himmel, unter uns das Meer
von Jojo Moyes

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist das Jahr 1946 in Australien. Der Krieg ist vorüber und die stationierten britischen Soldaten sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Viele von ihnen mussten ihre inzwischen angetrauten Ehefrauen zurücklassen.
Die letzte Möglichkeit, zu ihren Männern zu gelangen, bietet sich den über 600 Bräuten, als der Flugzeugträger HMS Victorious zu seiner letzten Fahrt vor der Verschrottung nach England fährt.
Der Kapitän, gesundheitlich angeknackst, kann nicht glauben, was ihm dort zugemutet werden soll. Wie soll das gehen, 600 Frauen auf einem Schiff, das nur für Männer ausgelegt ist? Wie soll er Ordnung und Disziplin in seine Leute bekommen? Aber es nützt alles nichts, das Schiff wird so umgebaut, dass die Frauen an Bord gehen können.

Unter ihnen befinden sich auch Margaret, Frances, Avice und Jean. Die 4 müssen sich eine Kabine teilen und könnten von ihrer Art her nicht unterschiedlicher sein.
Margaret ist schwanger und freut sich unbändig, endlich zu ihrem Joe zu kommen. Auch wenn sie es nicht erwarten kann, fällt es ihr schwer, den Vater und Bruder auf der Farm zu verlassen.
Avice ist eine Tochter aus besserem Haus und kann nicht glauben, dass sie auf so einem abgehalfterten Schiff nach England fahren soll. Aber da es definitiv keine andere Möglichkeit für sie gibt und ihr Vater schon Beziehungen spielen lassen musste, um den Platz auf der Victorious zu bekommen, fügt sie sich in ihr Schicksal. 
Jean ist 16 Jahre, wild und entschlossen und kein Kind von Traurigkeit.
Frances ist die ruhigste unter den 4 Frauen. Sie ist Krankenschwester und versucht ihrer Vergangenheit zu entfliehen. Dass diese sie gerade auf dem Schiff einholen wird, war nicht vorherzusehen...

Obwohl es über 600 Frauen an Bord gab, hat die Autorin sich auf diese 4 Protagonistinnen konzentriert. Mit ihnen erlebt der Leser das Leben auf dem Schiff, das Zusammenleben, die Ängste, Sorgen und Nöte der Frauen. 
Margaret ist dabei immer die mütterliche, die sich um alle sorgt. Frances hält sich aus vielem raus, es sei denn, jemand braucht unmittelbar ihre Hilfe und wenn sie als Krankenschwester fungiert, dann zeigt sie auch Stärke und Autorität, sie ist dann ein völlig anderer Mensch.

Das Leben an Bord ist nicht ganz unproblematisch, schon von der Tatsache her, dass auch das Schiff seine besten Jahre hinter sich hat. Es muss an Wasser gespart werden, denn die Entsalzungsanlage ist nicht mehr ganz taufrisch. 
Für die Frauen werden Wachposten eingerichtet, die nachts aufpassen, dass sich ihnen niemand nähert. Frauen haben das Verbot, unten in die Mannschaftsräume der Besatzung zu gehen. Aber viele Verbote sind dazu da, umgangen zu werden. Zuwiderhandlungen werden mit der Rückschickung bestraft.
Aber nicht nur aus diesem Grund werden Frauen wieder zurück nach Australien geschickt, auch kam es vor, dass der Ehemann keinen Anspruch mehr auf seine Frau legte und ihr die Einreise verweigerte. 

Es ist eine lange Reise von 6 Wochen, in der viel passieren kann. Aber eines vereint die Frauen, die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft in England, aber nicht alle erreichen ihr Ziel.

Während die aktuellen Ereignisse auf dem Schiff wiedergegeben werden, erfährt der Leser auch nebenbei die Hintergrundkenntnisse über die Protagonisten.
Jede hat ihre Geschichte und Motive, nach England zu reisen.
Von den Protagonisten sind mir besonders positiv Margaret, Frances und der Kapitän in Erinnerung geblieben, Menschen, die anpacken und etwas bewirken wollen.
Avice saß die ganze Zeit auf ihrem hohen Ross und machte sie mir damit nicht sympatisch und Jean war einfach nur naiv in meinen Augen und noch lange nicht erwachsen.

Der Roman der Autorin ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn den Flugzeugträger HMS Victorious gab es wirklich. Mit diesem reiste seinerzeit die Großmutter der Autorin von Australien nach England.
Mit diesem Roman habe ich wieder ein Stück Geschichte erfahren, von der ich gar keine Ahnung hatte. Da sage noch mal einer, das Lesen nicht bildet.
Für mich war dieses Buch das Lesehighlight im Februar.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich empfehle es sehr gern weiter.