Rezension

Kriminelle Karriere dank Achtsamkeit – im Ernst, das macht Spaß!

Achtsam morden - Karsten Dusse

Achtsam morden
von Karsten Dusse

Bewertet mit 4 Sternen

Achtsamkeit ist das große Modewort der letzten Jahre. Wer hat sie noch nicht gesehen, die Sach- und Fachbücher, die Aushänge für Abendkurse, die Achtsamkeitsmalbücher für Erwachsene... Aber dass man mit Achtsamkeit auch eine kriminelle Karriere fördern kann, war mir neu. Mit seiner Hauptfigur Björn Diemel, seines Zeichens Anwalt für Strafrecht, zeigt Karsten Dusse, seines Zeichens ebenfalls Anwalt und lediglich im Zweitberuf Schreiberling, genau das. Und zwar auf unterhaltsame Weise.

Björn hat alle Hände voll zu tun. Seit Jahren versucht er, Partner in der Kanzlei zu werden, für die er schon ewig arbeitet und seine Familie vernachlässigt. Leider passt sein etwas unkonventioneller osteuropäischer Mandant Dragan nicht ganz in die Rolle des Vorzeige-Auftraggebers, was das Arbeitspensum von Björn erhöht und seine Chancen Partner zu werden verkleinert. Seine Frau ist wenig amüsiert über seine mitunter grenzwertigen Machenschaften und droht mit Kindesentzug. Auf deutsch: Björn steht kurz vor dem Burnout und muss das Ruder herumreißen.

Und zwar auf spektakuläre Art und Weise: er wird achtsam! In einem Seminar lernt er die Grundzüge und Feinheiten der Achtsamkeit – und lebt anschließend nach ihnen. Auch wenn das für diverse Mitmenschen eine eher lebensverkürzende Wirkung hat. Oder gerade deshalb. Jedenfalls – seit Björn die Achtsamkeit für sich entdeckt hat, beginnt plötzlich alles wieder zu laufen. Und zwar nicht rückwärts und bergab (wie vorher), sondern tatsächlich vorwärts und steil bergauf. Es lebe die Achtsamkeit!

Ich habe tatsächlich viel gelacht und geschmunzelt mit diesem Buch. Obwohl mir das ganze Achtsamkeitsthema durch die Dauervisualisierung überall zuweilen etwas auf den Zeiger geht, fand ich in diesem Buch erstaunlich praktikable Ansätze. Das heißt nicht, dass ich jetzt auch eine kriminelle Karriere anstrebe – Gott bewahre! Aber ich muss Karsten Dusse lassen, dass man ihm bei aller satirischen Überspitzung auch abnimmt, sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt zu haben. Im Nachwort schreibt er dann auch, dass man ihn bitte nicht missverstehen solle – er habe das Thema Achtsamkeit tatsächlich für sich entdeckt. Das nehme ich ihm ab.

Was ich nicht unbedingt gebraucht hätte, ist die Detailgenauigkeit, mit der Dusse das Ableben diverser Figuren und ihre „Beseitigung“ beschreibt. Da war mir mitunter die Papiertüte vom letzten Flug näher als das Glas Wein neben mir... (um es mal etwas vorsichtig zu umschreiben). So genau muss man es mir dann doch nicht erklären... ich habe um meinen guten Nachtschlaf etwas gefürchtet ;-)

Letztendlich macht dieses Buch aber Spaß. Klar, es ist ungewöhnlich und launisch und hoffnungslos überdreht  – aber es war gut genug, um (ganz achtsam!) im Moment zu leben und alles andere um sich herum während des Lesens komplett zu vergessen bzw. ausblenden zu können. Ziel erreicht, würde ich sagen J