Rezension

Krumme Geschäfte im Hafen von Durban

Lass die Toten ruhen - Malla Nunn

Lass die Toten ruhen
von Malla Nunn

Bewertet mit 4 Sternen

Emmanuel Cooper ist als weißes Ghettokind in Johannesburg aufgewachsen. 1953, Jahre nachdem er für das Britische Empire in Europa im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat, konnte der Kriegs-Veteran und Ex-Polizist im Südafrika der Apartheids-Politik noch nicht wieder Fuß fassen. Seit den Ereignissen in Jacob's Rest (Ein schöner Ort zu sterben) ist weniger als ein Jahr vergangen. Cooper hat aufgrund seiner offenen Kritik an der Parteilichkeit der südafrikanischen Polizei seinen Job als Ermittler verloren. Er arbeitet inzwischen offiziell als Arbeiter im Hafen von Durban; inoffiziell lässt Coopers ehemaliger Vorgesetzter ihn Schmuggel und Drogenhandel im Hafenbereich beobachten. Für den Security Branch, den südafrikanischen Geheimdienst, ist Coopers Degradierung ein gefundenes Fressen. Die Behörde demonstriert Cooper, dass sie seine Rassenzugehörigkeit neu bestimmen und damit in einem Abwasch gleich Coopers Ex-Vorgesetzten van Niekerk wie einen Dominostein fallen lassen kann. Könnten die Behörden Emmanuel eine winzige Spur indisches Blut in seinen Adern unterstellen, hätte van Niekerk ihn als Farbigen erst gar nicht zum Detective Sergeant aufsteigen lassen dürfen. Van Niekerk selbst ist im Apartheids-Staat durch seinen burischen Familiennamen stigmatisert.

Cooper, noch deutlich von seinem Kriegserlebnissen angeschlagen, findet bei seiner nächtlichen Nebentätigkeit im Hafen ein ermordetes Kind. Weitere Todesfälle deuten auf Cooper selbst als Täter, der nur inoffiziell nach dem großen unbekannten Fädenzieher fahnden kann, um seine Unschuld zu beweisen. Cooper, dem die Zeit davon läuft, hat offenbar alle Risiken auf seiner Seite, aber keine andere Wahl. Malla Nunns zweiter Fall um Emmanuel Cooper spielt noch zur Zeit des Kalten Kriegs, als die Staaten Osteuropas den "Eisernen Vorhang" um sich errichtet hatten. Um dem komplizierten Fall bis in die Verästelungen seines Labyrinths zu folgen, muss man als Leser Freude am Denken um mehrere Ecken haben.

Malla Nunn bringt ihren Lesern die Atmosphäre im durch die Rassentrennung geprägten Südafrika der 50er Jahre meisterhaft nahe. Was Apartheid wirklich bedeutet, zeigt sie z. B. daran, wie zu Coopers Zeit ein Schwarzer einen Passierschein seines "Baas" vorzuweisen hatte, um auch nur mit dem Auto seines Arbeitgebers 100 km von Durban in die nächste Stadt fahren zu dürfen. Die Empfindlichkeiten nach jahrelangem Kampf um das Land und seine Diamanten zwischen Weißen britischer und afrikaanser/kapholländischer Herkunft zeichnet Nunn mit leichter Ironie. Ihre Darstellung der Stadt Durban, die offiziell englisch ist und in der Inder, die "Charras", zum Ärger der Weißen Geschäfte, Restaurants, Tempel und eigene Schulen betreiben, war für mich einer der Höhepunkte des Buches. Auch die Beobachtung von Coopers Körpersprache durch seine Gesprächspartner, die ihn sofort als weißen Polizisten einordnen, hat mich köstlich unterhalten. Zwischen Dr. Zweigmann, dem Zulu-Ermittler Constable Shabalala aus Transvaal und Cooper, dem erfolgreichen Trio aus dem ersten Band, kommt es in diesem Band zu einem Wiedersehen. Zweigmann und Cooper geben dabei gerade so viel Persönliches von sich preis, dass die Neugier auf weitere Bände der Reihe am Köcheln gehalten wird.

An erster Stelle ist in "Lass die Toten ruhen" die liebevoll gezeichnete Persönlichkeit Coopers zu loben, der die Ordnung wieder herstellen und die Toten auf ihre Reise schicken will. Die Motive des Ermittlers für sein Handeln erzählen Prolog und Epilog des Buches, die im Paris des Kriegsjahrs 1945 spielen. Der eigentliche Fall mit seinen internationalen Verästelungen hat mich verglichen mit Coopers Charakterisierung nicht besonders gefesselt. Lesern mit Interesse an Südafrika, denen Atmosphäre, historischer Hintergrund und die Zeichnung der Figuren wichtiger sind als der Krimi-Plot, ist diese Reihe uneingeschränkt zu empfehlen.