Rezension

Krumme Geschäfte im München der 50er

Die im Dunkeln sieht man nicht - Andreas Götz

Die im Dunkeln sieht man nicht
von Andreas Götz

Bewertet mit 3.5 Sternen

Karl Wieners kommt 1950 auf der Suche nach Arbeit aus Berlin in seine Heimatstadt München zurück. In den 50ern schlagen sich einige Deutsche noch immer mit Gelegenheitsarbeiten oder Schwarzmarktgeschäften durch. Wieners wollte in Berlin Karriere als Autor von Theatertexten machen und kehrt der Stadt nun desillusioniert und kriegsversehrt den Rücken. Mithilfe seiner Nichte Magda wird er im Auftrag seines alten Schulfreundes Georg Borgmann zu einem Fall von Raubkunst recherchieren (wertvollen Gemälden, die während der Nazizeit bei jüdischen Familien beschlagnahmt wurden). Noch ehe die US-Armee in München einmarschierte, war in den letzten Kriegstagen eine große Anzahl geraubter Gemälde aus dem Führerbunker verschwunden. Borgmann will eine politische Wochenzeitschrift für ein männliches Publikum gründen; und Karl erhofft sich durch den Auftrag für Borgmann einen Einstieg in den Journalismus. Er wird jedoch bald einsehen, dass ein Rechercheauftrag noch keine feste Anstellung vermittelt und nicht zum Leben reicht. Spannend wird es, als Karl offensichtlich beschattet wird und spielende Kinder zwei Tote finden, die mit Kunsthandel in Verbindung standen. Neben vielen anderen Figuren treffen Kunsthändler, erfahrene Schmuggler, der US-amerikanischen Kontaktmann Andrew Aldrich, der für Kunstraub zuständige Ermittler der Münchener Kripo und der dubiose Oberkommissar Ludwig Gruber aufeinander. Der Fall der Raubkunst aus dem Führerbunker könnte für die Beteiligten ein letztes Mal werden, ein letzter großer Fall, bevor auf die Nachkriegszeit wieder ein bürgerliches Leben folgen könnte.

Andreas Götz berichtet im Nachwort, dass seine in Haidhausen angesiedelten Figuren alle fiktiv sind. In einem von Männern bestimmten Szenario ist Karls Nichte Magda eine der raren Frauenfiguren. Nach Kriegs- und Hungerjahren will sie wie alle endlich wieder leben – und weg aus der Kneipe ihrer Familie in Haidhausen. Karl und Magda stehen für die vielen Deutschen, die in der 50ern in zerbombten Städten Arbeit, Wohnung und persönliches Glück suchten. Die ungebärdige Magda hatte schon als Kind für ihren Onkel geschwärmt und steht nun einem gebrochenen Heimkehrer gegenüber. Auch das war typisch für eine Generation von Frauen, die aufgrund der zahlreichen Kriegstoten vermutlich keinen Partner in ihrem Alter mehr finden würden. Schon zu Beginn ist klar, dass Karl und Magda beide Arbeit und Wohnung brauchen. Die US-Armee wird bald abziehen und damit wird Schluss sein mit Magdas Schwarzmarktgeschäften. Welchen Plan sie verfolgt, welche Motive ihr Handeln bestimmen, diese Frage taucht für meinen Geschmack zu spät auf. Magdas Entscheidungen und die endgültige Verknüpfung der Handlungsfäden werden mir zu stark aus dem Zylinder gezaubert, in einer Epoche als die große Zahl versehrter und traumatisierter Kriegsheimkehrer längst gezeigt hatte: andere Zeiten erfordern andere Lebensformen als vor dem Krieg. In der schnellen Abhandlung Magdas prägender Lebenserfahrungen fehlt mir die angemessene sprachliche Sensibilität für das Thema. Es kann klüger sein, die Finger von einem Thema zu lassen, wenn einem Autor die Empathie fehlt ...

Mit seinem - für die männlichen Figuren - gut getroffenen Lebensgefühl der 50er und einer nicht völlig überzeugenden Lösung weckt Andreas Götz‘ historischer Krimi jedenfalls die Neugier auf einen möglichen Folgeband.