Rezension

Kurze Geschichten, die es in sich haben

Fast ein neues Leben -

Fast ein neues Leben
von Anna Prizkau

Bewertet mit 5 Sternen

Eine namenloses Mädchen, das als Einwandererkind aufwächst und sich auch noch als junge Frau durchs Leben kämpfen muss, erzählt uns von seinen Erfahrungen. Nicht nur das neue Land und die Menschen darin erscheinen fremd, sondern auch die eigenen Eltern, die sich selbst erst noch zurechtfinden müssen. So lesen wir von Brennpunktvierteln, Ausgrenzung und Kulturunterschieden und erfahren ganz nebenbei etwas über unsere eigene Haltung. Mir ging es jedenfalls so.

Locker leicht lassen sich die zwölf Kurzgeschichten lesen, obwohl jede von ihnen etwas Unangenehmes, Unbequemes oder ganz und gar Bitteres beinhaltet. Geschickt wird durch die geschüttelte Reihenfolge der einschneidenden Erlebnisse ein Spannungsbogen erzeugt. Eine ansteigende Intensität war für mich deutlich zu spüren. 

Dabei lassen die Geschichten genug Raum, um Geschehnisse weiterzuspinnen und auszumalen. Ich habe mich regelrecht darin verloren und mich immer weiter hineingesteigert, um letztendlich festzustellen, wie voll von Vorurteilen und Klischees ich selbst bin. Ich hatte immer angenommen, ein offener, toleranter und aufgeschlossener Mensch zu sein. Nun habe ich weiteres Optimierungspotential diesbezüglich erkannt.

Anna Prizkau hat mich echt beeindruckt. Mit recht wenigen Worten schafft sie es, sich einem Thema umfassend zu widmen. Ihr Erzählstil braucht keine Anhäufung malerischer Sprache. Wenige präzise Metaphern schließen ein Bild ab, lassen es rund erscheinen. Am Ende fehlt mir nichts bei diesem zunächst dünn wirkenden Buches. Alles ist gesagt. Es wirkt sogar nach. Die angeschobenen Gedanken sind für mich bereichernd.

Gern empfehle ich „Fast ein neues Leben“ weiter.