Rezension

Kurzgeschichten

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 4 Sternen

Das Verschwinden der Erde ist anders – obwohl es ein Thriller sein soll, ist es an vielen Stellen eher ein Roman, oder noch besser gesagt, eine Ansammlung von Kurzgeschichten.

Zu Beginn verschwinden zwei kleine Mädchen auf Kamtschatka. Sie werden entführt, doch die Wenigsten scheinen an eine Entführung zu glauben. Für jeden Monat nach dem Verschwinden der Schwestern erzählt ein Kapitel über das Leben einer anderen Person und ihrer direkten Umgebung. Sie alle haben ihre eigene Meinung zum Verschwinden der Mädchen, doch in den Kapiteln geht es hauptsächlich um die jeweiligen persönlichen Leben. Nach und nach wird deutlicher, auf welche Weise die Personen zusammenhängen. Im Grunde kennt auf dieser Halbinsel jeder jeden über genug Ecken und dennoch bleiben die Mädchen verschwunden.

Der Fokus liegt ganz klar auf den Geschichten der Frauen: Das veraltete Rollenbild, das russische Frauen erleben, die Beziehungen zu Partnern, Freunden, Kollegen oder Eltern, und auch der Rassismus der indigenen Bevölkerung gegenüber kommt öfters zur Sprache.

Das Buch ist eigentlich wirklich toll - schön geschrieben und trotz der unterschiedlichsten Geschichten spannend gehalten.

Der Grund, warum es von mir 4 und nicht 5 Sterne bekommt, sind zu viele Charaktere. Man kommt auf Dauer kaum noch mit, wer wer ist und wem was passiert ist, und die Übersicht über die Personen vorne hilft nur bedingt weiter. Das Schlimmste daran ist allerdings, dass man von vielen Charakteren keine weiteren Informationen bekommt. Hin und wieder taucht ein Charakter als Nebenrolle auf, sodass man erfährt, wie das Leben der Person weitergelaufen ist, aber für die meisten bricht die Geschichte einfach komplett ab. Das Buch ist wie ein Fenster, das nur temporär in die Seele und das Leben eines Menschen blicken lässt, doch ist es einmal verschlossen, bleibt es das für immer.