Rezension

la bruja

Hexenlied - Antonia Michaelis

Hexenlied
von Antonia Michaelis

"Hexenlied" ist das neuste Werk von Antonia Michaelis und behandelt ein Theaterstück rund um eine mexikanische Hexe - "la bruja". Die Handlung wechselt dabei zwischen der Realität und den Szenen des Theaterstücks, die durch Lilith als "la bruja" auf seltsame Art "zum Leben erweckt werden".
Wie von der Autorin gewohnt, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion immer wieder, bis weder Leser noch Charaktere noch genau wissen, was tatsächlich passiert und was nur Einbildung ist. Und das macht auch einen der größten Reize von "Hexenlied" aus, denn man weiß beim Lesen nie, wozu Liliths ungewöhnliche Ausstrahlung die Charaktere noch treibt. Und so wurde ich einige Male davon überrascht, was Misstrauen, Neid und Eifersucht in der Kombination mit der Wirkung des Theaterstücks aus den Charakteren machten. Ein paar Szenen empfand ich dabei für die Altersfreigabe ab 14 Jahren schon kritisch.
Dass sich die Handlung in eine bedrohliche Richtung entwickeln würde, war schnell klar. Im weiteren Verlauf reist die Theatergruppe samt Lehrer in eine einsame Berghütte, um in Ruhe zu proben. Und ab da eskalieren die Ereignissen bis sie zu einem dramatischen, unerwarteten und dennoch sehr passenden Ende führen.
Die Protagonisten sind Tim und Lilith und beide weichen auf ihre Weise "von der Norm" ab. Tim hört seit einem tragischen Unfall seiner Schwester in deren Kindheit Geräusche unerträglich laut und hat deswegen immer Watte in den Ohren und einen schallisolierten Raum daheim. Er leidet sehr unter der psychischen Belastung, die der Unfall in ihm hervorgerufen hat. Doch außer mit seiner Schwester kann er mit keinem darüber reden - was die Probleme nicht reduziert.
Lilith hingegen ist eine typische Außenseiterin mit esoterischen Zügen, weshalb sie nirgends richtig dazu passt. Daher fällt es den Mitgliedern der Theatergruppe auch leicht, sie als richtige Hexe zu sehen und ihr allerhand Gerüchte anzudichten.
Im Laufe der Handlung freunden Tim und Lilith sich auf eine authentische und dem anderen helfende Art miteinander an, die mir sehr gefallen hat. Die beiden sind als Charaktere einfach wunderbar ausgearbeitet.
Die weiteren Charaktere bleiben überwiegend blass und sind durch ihr Misstrauen Lilith gegenüber eher unsympathisch. Dennoch tragen sie maßgeblich zum dramatischen Verlauf der Geschichte bei.
Grundsätzlich empfand ich "Hexenlied" als fesselnd und spannend, doch gerade die Zeit in der Berghütte wurde mir etwas zu langatmig. Die Rätsel häuften sich zusehends und die Aufklärung zog sich bis zum Ende hin. Hier wären Teil-Erklärungen schön gewesen. Zudem bleibt leider offen, wieso die Theatergruppe das Stück durch Lilith so sehr lebt, also woher dieser besondere Zauber kommt.