Rezension

Ländliche Befindlichkeiten

Abendrot
von Kent Haruf

Bewertet mit 5 Sternen

Holt. Eine Kleinstadt im Herzen Colorados.

Kent Haruf ist einer der Autoren, die dem interessierten Leser das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt auf unnachahmliche Weise näher bringen. Ein bisschen glaubt man sich in einem guten alten Western, denn hier reiten alte Männer hinter Kühen her und sitzen stundenlang auf einer Viehauktion im staubigen Sonnenschein. Aber hier sind auch die verarmten Proleten, die in einem heruntergekommenen Wohnwagen von staatlicher Unterstützung hausen und über ihre wenigen Chancen lamentieren und sich über ihr mieses Schicksal beschweren. Und alleinerziehende Mütter und Opas, die kaum über die Runden kommen mit dem wenigen Geld. Und Kinder, die es schwer haben mit ihren Eltern oder damit keine mehr zu haben.

Nach diesem zweiten Buch in Harufs amerikanischer Kleinstadt (Seelen bei Nacht lasse ich mal aussen vor, weil es ein bisschen anders in mir nachklingt) stelle ich fest, dass es dort ein hartes Leben ist. Kein Zuckerschlecken. Viele Leute haben wenig zum Leben. Oder zumindest nur das Nötigste. Luxus und Geld für Vergnügungen hat kaum einer. Der Unterton ist deshalb für mich tatsächlich eher traurig - ich will nicht sagen deprimierend, aber doch nah dran.

Faszinierend auch, dass man anfängt, sich als Leser über die kleinsten Lichtblicke zu freuen und die wichtigen Dinge des Lebens - Liebe, Familie, Kameradschaft, Hilfsbereitschaft - sehr schätzt, wenn sie in der Geschichte zur Sprache kommen. Haruf packt den Leser bei seinen Befindlichkeiten und das gefällt mir sehr gut.

Ein stilles und intensives Buch mit ein paar unvergesslichen Charakteren.