Rezension

Lässt mich etwas ratlos zurück

Die Hauptstadt - Robert Menasse

Die Hauptstadt
von Robert Menasse

Bewertet mit 3 Sternen

~~Was hält die EU eigentlich zusammen? Was eint die verschiedenen Nationen, die sich zu einer Union verbunden haben, über die nationalen Grenzen und Interessen hinaus? Und wie funktioniert dieses Gebilde - politisch, kulturell, wirtschaftlich - überhaupt?

Fragen, denen Robert Menasse in seinem mit dem deutschen Buchpreis 2017 ausgezeichneten Werk nachgeht. Jetzt, am Ende des Buches angekommen, verstehe ich auch, zumindest teilweise, was der Autor zum Ausdruck bringen wollte. Die EU besteht aus einem riesigen Apparat an Bürokratie, ja, die EU IST Bürokratie. Aalglatt ihre Mitspieler, vor allem auf höherer Ebene, karrieregeil, intrigant, jeder sucht seinen eigenen Vorteil, will glänzen, sich einschmeicheln, auffallen und und und. Die eigentliche Sache der EU - was immer diese auch sein mag - ist längst aus dem Blick verloren.

So stellt sich denn dann auch die Herausforderung, wie das jubilee project, das zur Jahresfeier der europäischen Kommission ansteht und diese in ein besseres Licht rücken soll, aussehen soll. Das Gedenken an Auschwitz soll ins Zentrum rücken, denn was eignet sich besser als die eigentliche Idee, auf der die EU gründet: kein Nationalismus mehr, kein Rassismus, nie wieder Auschwitz.

Menasse entwirft mit vielen verschiedenen Figuren, die sich allesamt in Brüssel einfinden, ein buntes Bild des europäischen Burokratiezenntrums. Dazu gehören ein emeritierter Professor, Mitglied eines europäischen Think Tanks, ein Auschwitz-Überlebender, der in ein Altersheim kommt, ein Kommissar, der ein Verbrechen in einem Hotel aufklären soll, ein österreichischer Schweinezüchter und jede Menge EU-Bürohengste und -stuten. Dabei gelingen dem Autor immer wieder richtig gute, satirische, bisweilen bitterböse Szenen, die mir ein Grinsen ins Gesicht zauberten. Herrlich absurd und lächerlich - wenn es nicht um eigentlich ernste Dinge gehen würde.

Doch insgesamt fehlt mir der rote Faden, der die einzelnen Geschichten der vielen Charaktere zusammenhält. Zwar berühren sich manche Fäden, aber ein wirkliches Geflecht entsteht nicht. Vielmehr stehen die einzelnen Episoden des Buches lose nebeneinander, teilweise verscheinden Figuren sogar, ohne deren weiteres Geschehen zu erzählen oder aufzuklären (z.B. des polnischen Mörders). Darüber hinaus weiß das Buch nicht, was es sein will. Es startet zwar mit einem Kriminalfall, doch dieser spielt nur am Rande eine Rolle. Ein Buch über die Absurditäten der EU Bürokratie ist es aber auch nicht nur, dazu gibt es zu viele Nebenschauplätze. Daher lässt es mich insgesamt doch eher ratlos und unbefriedigt zurück, trotz mehrerer glänzender und höchst amüsanter und interessanter Passagen.

3 von 5 Sternen