Rezension

„Lästige Liebe“ ist ein starker Roman, der die literarische Kraft der späteren Saga schon in sich trägt

Lästige Liebe - Elena Ferrante

Lästige Liebe
von Elena Ferrante

Bewertet mit 5 Sternen

Elena Ferrante, Lästige Liebe, Suhrkamp 2018, ISBN 978-3-518-42828-3

 

Ihr vierbändiges Epos „Neapolitanische Saga“ hat sie nicht nur in Deutschland mit einem Schlag bekannt gemacht und einen unvergleichliche Hype um die italienische  Schriftstellerin Elena Ferrante ausgelöst. Vom Ferrante-Fieber werbetextete der Suhrkamp-Verlag, der nun beginnend mit ihrem literarischen Debüt aus dem Jahr 1992 wohl alle bisherigen Werke der ungewöhnlichen Autorin verlegen und dem deutschen Publikum zugänglich machen will.

 

Schon bei der Veröffentlichung von „Lästige Liebe“ (L`amore molesto) im Jahr 1992 in Italien hat sich Elena Ferrante dazu entschlossen unter einem Pseudonym zu schreiben und hat das auch nach dem überwältigenden Erfolg der Saga so beibehalten.

 

„Lästige Liebe“ spielt wie die Saga in Neapel. Wer die vier Bände der Saga gelesen hat, entdeckt in dem nun auf Deutsch vorliegenden Debüt Ferrantes schon die Umrisse von Figuren, Schauplätzen und Motiven, die später in der Tetralogie eine Rolle spielen werden. Als „Lästige Liebe“ 1994 in Deutschland erschien, wurde der Roman nicht wahrgenommen und ging hier eher unter, während Elena Ferrante in Italien schon eine breite Resonanz erfuhr und von der Literaturkritik intensiv gewürdigt wurde.

 

Delia, die Hauptperson des Romans, 45 Jahre alt und als Comiczeichnerin arbeitend, kehrt nach dem plötzlichen und unerklärlichen Tod ihrer Mutter nach Neapel zurück, in die ihr verhasste Heimatstadt. Ihre Mutter ist wenige Tage zuvor im Meer ertrunken. War es ein Unfall oder hat sich die Mutter selbst umgebracht? Oder hatte beim Tod der Mutter jemand anderes seine Hände im Spiel?

 

In vielen Rückblenden erinnert sich Delia an ihre Mutter und ihre Kindheit mit einem gewalttätigen Vater. Es geht um viele Geheimnisse und um einen Verrat, als die fünfjährige Delia ihrer Mutter eine Affäre mit einem Geschäftspartner des Vaters angehängt hat.  Doch es steckte etwas ganz anderes dahinter, dunkler Ursprung aller weiteren Verwicklungen, denen die ich-erzählende Delia nun nachspürt. Sie muss dafür tief in ihre Vergangenheit hinabsteigen, ein schmerzhafter Prozess, dessen Psychodynamik Ferrante brillant darstellt. Immer wieder kommen Bilder und Erlebnisse in Rückblenden in Delia hoch, während sie geradezu getrieben versucht, die letzten Stunden ihrer Mutter Amalia, mit der sie mehr verbindet , als sie zunächst zulassen kann, zu rekonstruieren. Warum hat sie wenige Tage vor ihrem Tod so überdreht und verstört geklungen, als sie am Telefon das letzte Mal mit Delia sprach?

 

Und welche Rolle spielt Caserta, ein ehemaliger Freund ihres gewalttätigen Vaters, der plötzlich wieder auftaucht? Offenbar war er der letzte Mensch, der die Mutter lebend gesehen hat. Und während Delia verzweifelt durch die Gassen der Stadt läuft und Erinnerungen entwirrt, die sie lange unterdrückt hatte,  ahnt sie nicht, wie schutzlos sie sein wird gegen das schreckliche Geheimnis ihrer eigenen Kindheit, das in einem schmerzhaften Prozess ans Tageslicht kommen wird, sodass sie am Ende sagen wird: „Amalia war einmal. Ich war Amalia.“

 

„Lästige Liebe“ ist ein starker Roman, der die literarische Kraft der späteren Saga schon in sich trägt.