Rezension

Langatmiger Psychokrimi

Nahtod - J. J. Preyer

Nahtod
von J. J. Preyer

Die Schriftstellerin Nora Furtner gibt auf einer Lesung ihren Ausstieg aus dem Literaturbetrieb bekannt - und kurz darauf sterben sowohl sie als auch ihr Mann auf mysteriöse Art und Weise. Ein Fall für den Chefinspektor Viktor Grimm, der sich allerdings aufgrund einer persönlichen Verwicklung in den Fall außerstande sieht, die Ermittlungen aufzunehmen. Daher muss sein Freund Christian Grimm einspringen, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen...

Der stimmungsvolle Anfang des Kriminalromans gefiel mir recht gut; eine Autorenlesung unter freiem Himmel, ein erster Kontakt zu einigen der Hauptfiguren, Dramatik bei Noras Bekanntgabe, ihre Karriere zu beenden und in der gleichen Nacht noch der erste Mord - ein temporeicher und spannender Auftakt. Leider ging es nicht so weiter, aus verschiedenen Gründen fing ich ziemlich bald an mich zu langweilen. 

Da ich die Vorgängerbände von Christian Wolfs Bände nicht kannte, musste ich mich zunächst sehr darauf konzentrieren, die vielen Figuren kennen zu lernen und richtig einzuordnen. Christian Wolf und der Chefinspektor Viktor Grimm wohnen mit mehreren anderen Parteien in einer großen Villa, und sämtliche Mitbewohner erhalten im Laufe der Handlung eine Rolle. Noch dazu kommen Angehörige der Steyrer Polizei, Familienmitglieder der Furtners, Teilnehmer an der Lesung, so dass es eine Weile dauerte, bis ich einen Überblick hatte.

Viktor Grimm klinkt sich zunächst aus dem Fall aus und verabschiedet sich in Richtung Kurort; so kommt es, dass vor allem Christian Wolf und ein junger Nachwuchsermittler im Mittelpunkt stehen, unterstützt von Mitbewohnern der Villa. Sie schmieden Pläne über das weitere Vorgehen, und mir kam es so vor, als ob das Pläneschmieden einen viel breiteren Raum einnimmt als deren Ausführung. 

Die Handlung wird vielfach gar nicht vom Leser selbst erlebt, sondern besteht oft lediglich darin, dass sich die Figuren gegenseitig über ihre Ermittlungsergebnisse berichten, und das in oft sehr hölzernen Dialogen. Diese Erzählweise fühlte sich für mich recht statisch an und sorgte dafür, dass sich kein richtiger Spannungsbogen aufbauen wollte. Dazu noch wird bei den konspirativen Treffen der Gruppe gerne in allen Einzelheiten beschrieben, was es zu essen gibt; ein nettes Detail, aber für den Fall völlig irrelevant und einer weiterer Ausbremser, was die Spannung betrifft. 

Im Laufe der Handlung betritt dann ein echter Bösewicht die Bühne - eine interessante Figur, denn der Mann erfüllt mehrere Funktionen gleichzeitig: böser Chef, Verbrecher - und am Ende Opfer. Leider lernt ihn der Leser wiederum nur aus Erzählungen kennen; als er zum ersten Mal tatsächlich in die Handlung eintritt, ist er auch schon tot. Schade um dieses Potential, ich hätte sehr gerne mal eine Szene mit ihm gelesen. 

Mittendrin taucht dann Viktor Grimm wieder auf, denn er muss sich dem Fall stellen, der unter Umständen auch seine Beziehung zu dem verdächtigen Psychotherapeuten David Gründler betrifft. Dafür verschwinden andere Figuren wieder in der Versenkung und ich fragte mich bei manchen der Mitwirkenden, was wohl aus ihnen geworden ist. 

Die Grundidee, der Auflösung des Falles eine literarische Komponente zu verpassen, fand ich ganz gut. Mehrere Figuren lesen das letzte Buch des Opfers in der Annahme, dort im Verborgenen das Muster zu erkennen, das zu den Morden geführt hat. Die verschiedenen Perspektiven der lesenden Ermittlunger brachten ein wenig Abwechslung in den Fall. Den Mörder am Ende mit psychologisch-literarischen Mitteln zu überführen, war für mich ein ganz neuer Ansatz, den ich innovativ und originell fand. 

Trotzdem war mir die Durststrecke zwischen dem gelungenen Auftakt und den temporeichen letzten Kapiteln viel zu lang. Über viele Passagen hinweg fand ich die Handlung schlicht langweilig und mühselig zu lesen. Schade, trotz guter Grundidee konnte mich dieser Krimi nicht überzeugen.