Langsam steigende, atmosphärische Spannung
Bewertet mit 5 Sternen
Die verstorbene Künstlerin Vanessa Chapman hinterlässt überraschend ihr gesamtes Kunstvermächtnis einer Stiftung. Deren Kurator James Becker bezeichnet sich selbst als ihr größter Fan und entsprechend ungläubig und entsetzt ist er, als in einer Skulptur der Künstlerin ein vermutlich menschlicher Knochen entdeckt wird. Um das und auch der vermeintlich von Vanessas Nachlassverwalterin und Freundin Grace zurückgehaltenen Kunstwerke auf den Grund zu gehen, reist James Becker auf die Gezeiteninsel Eris.
Eine reine Gezeiteninsel war mir neu, ich fand das sehr interessant, aber irgendwie auch schon fast beklemmend beschrieben, da man sich und die Außenwelt komplett von Ebbe und Flut abhängig macht. Die Bilder und die ganze Atmosphäre der Insel, der Umgebung, dem Wetter fand ich sehr gut beschrieben und heraufbeschworen.
Grace und Vanessa lernen sich an Land kennen, und schon bald darauf ist Grace ständige Besucherin der Insel, bis sie auch dort hinzieht. Zwischen den beiden ungleichen Frauen entwickelt sich eine Freundschaft, die jedoch alles andere als leicht ist und manchmal fast schon an Boshaftigkeit grenzt. Weder Vanessa, die anhand Briefen und Tagebuch Einträge in der Geschichte lebendig gehalten wird, noch Grace fand ich sonderlich sympathisch.
Mit manchen Handlungen von beiden konnte ich sehr wenig anfangen, aber trotzdem fand ich sie glaubwürdig. Vanessas Gedanken und Gefühle wegen ihrer Kunst und Grace Einsamkeit, der Wunsch nach Liebe taten mir oft in der Seele weh. Ich konnte es gut nachvollziehen und ich habe besonders mit Grace mitgelitten.
Beckers Leidenschaft und Fan Liebe fand ich oft eher befremdlich, aber einige Sachen, die er sich eingesteht auch gnadenlos ehrlich.
Das haben wie ich finde alle Charaktere gemeinsam, sie sind oft, wenn auch nur zu sich selbst, sehr ehrlich. Beckers Unsicherheit wegen seiner komplizierten Beziehung zu Helena fand ich gut erzählt, manche starken Gefühle auch von ihm haben mich dennoch erschreckt.
Die Frage und die Suche nach den gefundenen Knochen rückten für mich fast in den Hintergrund, die Charaktere und ihre Beweggründe waren für mich präsenter. Das hat mich aber nicht gestört, ganz im Gegenteil.
Obwohl ich irgendwann geahnt habe, wohin das ganze führt, habe ich dennoch sehr gerne weitergelesen. Die Sprache, der Stil und nicht zuletzt die intensive und atmosphärische Stimmung fand ich großartig. Das Ende hat mir persönlich jetzt auch gut gefallen, irgendwie hat es für mich gepasst und es wird mir im Gedächtnis bleiben.