Rezension

Lasst uns die Spiele beginnen!

Wild Cards 01 - Das Spiel der Spiele - George R. R. Martin

Wild Cards, Die zweite Generation - Das Spiel der Spiele
von George R. R. Martin

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Nichts hält Arschlöcher so effektiv davon ab, einen zu triezen, wie wenn man sich vor ihren Augen in einen menschengroßen Schwarm kleiner stechender Wespen verwandelt." S. 10

Zum Inhalt

Klappentext: Seit sich in den Vierzigerjahren das Wild-Card-Virus ausgebreitet hat und Menschen mutieren lässt, gibt es neben den normalen Menschen auch Joker und Asse. Joker weisen lediglich körperliche Veränderungen auf, während Asse besondere Superkräfte besitzen.

Der Großteil der islamischen Länder Arabiens hat sich zu einem Kalifat zusammengeschlossen. Offenbar ist dem britischen Geheimdienst daran gelegen, einen neuen Kalifen an die Macht zu bringen, denn eines seiner Agentenasse verübt in Bagdad einen Mordanschlag auf den derzeitigen Herrscher. Die Tat wird Jokerterroristen in die Schuhe geschoben. Die Joker Ägyptens haben den Glauben an das antike ägyptische Pantheon wiederbelebt und sind den Islamisten ohnehin ein Dorn im Auge. Jetzt kommt es zu zahlreichen Übergriffen auf sie.

Währenddessen startet in den USA die Castingshow American Hero. In speziell inszenierten Prüfungen müssen die Kandidaten ihre Heldenhaftigkeit unter Beweis stellen, und nach jeder Aufgabe sitzt eine Promi-Jury Gericht. Das Siegerteam bleibt ungestraft, die anderen Mannschaften sind gezwungen, eines ihrer Mitglieder rauszuwählen, bis am Ende der American Hero übrig bleibt. Doch ist er ein wahrer Held?

Meine Meinung

Als ich den Klappentext gelesen habe, musste ich sofort an die Marvel Comics denken und mit denen konnte ich bisher noch nie richtig viel anfangen. Aber das Cover, der Name George R. R. Martin, die Idee der Wild Cards und vor allem das Experiment, dass verschiedene Autoren an dieser Geschichte geschrieben haben, fand ich alles so originell, dass ich es einfach ausprobieren musste.

Am Anfang auf den ersten Seiten war ich etwas verwirrt. Ich musste mich erst in diese Welt der Superkräfte einfinden, es gab viele Namen zu merken und diese mit deren Fähigkeiten in Zusammenhang zu bringen, aber es hat nicht lange gedauert, bis ich mich gut zurecht gefunden habe.
Jedes Kapitel wird aus einer anderen Charakter-Perspektive geschrieben - und jeder Autor ist für einen anderen Protagonisten zuständig. So lernt man die Situationen und Schauplätze aus verschiedenen Sichtweisen kennen und es hat mich echt erstaunt, dass man den Wechsel im Schreibstil überhaupt nicht merkt.

Es ist eine Welt, wie wir sie kennen und doch völlig anders - das Virus, das in den 40er Jahren durch Außerirdische auf die Erde gebracht wurde, verändert die Menschen, aber nicht alle. Wenn du einen Joker gezogen hast, weist du körperliche Mutation auf, die dich grotesk entstellen können - aber wenn du das Ass erwischst, entwickelst du unglaubliche Superkräfte.
Im Vordergrund steht erst einmal die American Hero Show, eine Castingshow, in der vor laufender Kamera einer von 28 auserwählten Assen zum gekrönten Held gewählt werden soll. Hier dreht es sich hauptsächlich um die Teams der vier Mannschaften, wodurch man die Kandidaten und ihre Hintergründe und Ziele sehr gut einzuschätzen lernt. Da gibt es z. B. Jamal, den Stuntman, der einfach nicht kaputt zu kriegen ist, oder Drummer Boy: Rockstar und menschliches Schlagzeug oder die kleine Rachel, die ihre Plüschtiere in echte Riesenmonster verwandeln kann. Auch Jonathan Hive ist unter den Auserwählten, seine Fähigkeit ist es, sich in einen Schwarm Wespen verwandeln zu können und sein Ziel: die Story seines Lebens als Reporter zu schreiben.
Jede der Figuren ist nicht nur durch die einfallsreichen Superkräfte speziell - sie alle haben ihre Ecken und Kanten. Man fühlt sich ihnen nah und auch, wenn sie nicht alle sympathisch sind, kann man ihre Gefühle und ihr Tun sehr gut nachvollziehen.

Durch die Show und die damit geforderte Teamarbeit kommen sich einige Asse näher, Freundschaften entstehen, aber auch Abneigung und Konkurrenzkampf. Es war faszinierend zu beobachten, wie sich die Beziehungen untereinander entwickeln und welche Entscheidungen getroffen werden.
Sehr gut werden die Charaktere und ihre Ambitionen skizziert und man behält trotz der vielen Teilnehmer gut den Überblick.

Lohengrin, der deutsche Ritter in schimmernder Rüstung, das Ass auf dem Cover, tritt erst in der zweiten Hälfte des Buches so richtig ins Rampenlicht. Ab jetzt verschiebt sich auch der Schauplatz und ein ganz neuer Aspekt kommt ins Spiel, der die ganze Zeit im Hintergrund gelauert hat und das ganze in ein völlig anderes Licht rückt.
Aktuelle Themen werden einem um die Ohren gehauen: Die Oberflächlichkeit der Castingshows, die Bedeutung von Ehre und Gewissen, Ausgrenzung, politische Unruhen, das Leiden des Krieges und die schwierige Frage, einen Schuldigen zu finden - ebenso wie den Weg, um einzugreifen.
Was können wir erreichen, mit all unserem Wissen und Können?

Der Schreibstil ist nicht kompliziert, aber ich musste mich schon konzentrieren und langsamer lesen als gewöhnlich. Wenn man allerdings mal drin ist, kommt man gut voran und es hatte für mich immer seinen Reiz, weiterzulesen. Erst in der zweiten Hälfte hab ich angefangen zu verstehen, welche tiefgründige Substanz dem Ganzen zugrunde liegt und ich bin total begeistert, wie gekonnt diese Werte hier zum Teil subtil und dann wieder so offensichtlich übermittelt wurden.

Fazit

Ein ausgefallenes Konzept mit verschiedenen Autoren, Helden mit Superkräften, einer Castingshow in Hollywood und politische Unruhen in Ägypten - eine Mischung, die ungewöhnlicher nicht sein kann und die mich positiv überrascht und begeistert hat. Neue Helden werden geschaffen, um das Böse dieser Welt zu bekämpfen - ich bin mehr als bereit für die Fortsetzung! :D

© Aleshanee
Weltenwanderer
 

Kommentare

storycircus kommentierte am 27. August 2014 um 12:28

Super Rezi, danke dafür :)

Und wie ich mir das Buch heute Abend kaufen werde. *hüpf*

Da ich auch nicht so auf Comics stehe, mich das ganze Superheldentamtam aber trotzdem interessiert, ists vielleicht genau das richtige für mich.