Rezension

Le Grand Bleu

Der dunkle Sog des Meeres -

Der dunkle Sog des Meeres
von Roxanne Bouchard

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Warum können wir nicht das Salz des Meeres sein?"

Eine Midlife – Crisis macht dem 52jährigen Sergent Joaquin Morales zu schaffen, als er seine Zelte im kanadischen Küstenort Caplan aufschlägt. Die Kinder sind aus dem Haus, seine Ehefrau scheint ihm die kalte Schulter zu zeigen. Der Polizist mit mexikanischen Wurzeln fragt sich, ob ihm seine Liebste überhaupt auf die Gaspésie-Halbinsel    folgen wird. Als er Catherine Day trifft, ist er von der 33jährigen Frau fasziniert. Catherine ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter, doch sie trifft Marie Garant nicht mehr lebend an …

„Der dunkle Sog des Meeres“ von Roxanne Bouchard ist der Auftaktband zu einer Reihe rund um Sergent Joaquin Morales. Die Landschaftsbeschreibungen im Roman sind absolut faszinierend. Die Autorin beschreibt die Kraft des Meeres und die Küstenatmosphäre so eindrücklich, dass ich während der Lektüre regelrecht deprimiert war, weil alles so „echt“ wirkt.

Ich musste aber auch lachen, als der mexikanischstämmige Morales auf die Frage nach seiner Herkunft stoisch „Montreal“ angab – Menschen mit Migrationshintergrund werden wissen, was ich meine. Marie Garant war eine lebensfrohe, willensstarke (und, wie die Autorin betont „schöne“) Frau. Ihre Tochter Catherine hingegen weiß nicht so recht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, sie zweifelt an sich. Das rührte mich irgendwie, auch wenn mir die Protagonisten nicht sympathisch waren. Statt zu ermitteln, suhlt sich Morales in seinem Selbstmitleid, er lässt sich bereitwillig von den Dorfbewohnern bequatschen. Catherine himmelt heimlich einen „starken“  Mi'kmaq/Ureinwohner an. Während der Lektüre musste ich unwillkürlich an „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco denken, da die Figuren in Bouchards Roman stellenweise wie Karikaturen oder Typen wirken. Der alkoholkranke Pfarrer, der geschwätzige Tausendsassa, die Furie – eine filigrane Figurenzeichnung sieht in meinen Augen anders aus. Die Sorgen und Nöte der Fischer, die Naturverbundenheit und eine gewisse Xenophobie („Anglos“) der einfachen Menschen beschreibt Bouchard jedoch sehr treffend. Die Exposition fand ich genial, der Mittelteil hatte Längen, das Ende wurde im Vergleich zum Rest relativ knapp beschrieben.

Der Klappentext ist in gewisser Weise irreführend. Ich hatte einen „handfesten“ Thriller erwartet: „Schon bald muss Sergent Morales erkennen, dass sich dieser Fall keine Regeln aufzwingen lässt.“

Der Ermittler widmet sich zunächst nicht wirklich seiner Aufgabe, er lässt sich von den Einheimischen, die etwas zu verbergen haben, ablenken. Die Geschichte ist nicht spannend im klassischen Sinne, aber auch nicht langweilig. Stellenweise wirkte das Ganze wie ein Theaterstück auf mich, auch die vielen Dialoge trugen dazu bei. Ich bin kein großer Fan von stark dialoglastigen Romanen, daher ziehe ich bei meiner Bewertung einen halben Stern ab, volle vier Sterne kann ich leider nicht vergeben.

Fazit:

„Der dunkle Sog des Meeres“ ist definitiv kein schlechter Roman, die poetische Erzählung blieb jedoch hinter meinen Erwartungen zurück, auch wenn mich die maritime Atmosphäre begeistern konnte.