Rezension

Leben am Rand der amerikanischen Gesellschaft

Gun Love - Jennifer Clement

Gun Love
von Jennifer Clement

Ein Szenario, das in den Vereinigten Staaten gang und gäbe ist. Vierzehn Jahre leben Mutter und Tochter in ihrem Auto, abgestellt auf dem Parkplatz eines heruntergekommenen Trailerparks in Florida, eine Zwei-Zimmer-Wohnung sozusagen. Pearl, der mittlerweile vierzehnjährigen Tochter, sind die Vordersitze zugeteilt, die Mutter macht es sich nach Feierabend auf der Rückbank bequem. Im Kofferraum lagern die Schätze für schlechte Zeiten, kostbare Porzellanteller und Familienschmuck.

So, jetzt habe ich mich natürlich gefragt, was das für eine Familie ist, vor der Pearls Mutter kurz nach deren Geburt davongelaufen ist. Sie scheinen wohlhabend zu sein, haben ihrer Tochter eine was man so „gute“ Erziehung nennt angedeihen lassen, kümmern sich aber ansonsten wohl nicht weiter um sie. Denn wie lässt es sich sonst erklären, dass die Schwangerschaft sowie die Geburt im Badezimmer nicht bemerkt werden? Einzig der Vater fällt  aus dem Rahmen, der auf Kleingetier mit einer Fliegenklatsche einschlägt, was schlussendlich den Anlass für die Flucht der hypersensiblen Tochter aus dem Elternhaus bietet. Aber welche Eltern setzen nicht Himmel und Hölle in Bewegung, wenn ihre Tochter spurlos verschwindet? Sehr seltsam, aber sei’s drum. Jetzt zieht sie also ihr Kind mit Unterstützung der Freunde aus dem Trailerpark groß, redet ihr dieses White Trash-Leben mit romantisierenden Phrasen schön, die doch nur den Zweck haben, den allgegenwärtigen Mangel zu kaschieren.

Waffen sind allgegenwärtig, mal nur eine, dann wieder ein ganzes Arsenal. Sie werden gereinigt, benutzt, um ein missgebildetes Alligatorjunges zu erschießen oder von dem geschäftstüchtigen Priester eingesammelt und über die mexikanische Grenze verschoben. Und sie killen, töten Pearls Mutter und katapultieren diese schlagartig in die reale Welt der Waisen.

„Gun Love“ ist ein Buch, mit dem ich hadere. Keine Frage, die Sprache ist brillant, poetisch (wunderbare Übersetzung von Nicolai von Schweder-Schreiner) verklärt aber letztlich damit nur dieses Leben in einer Parallelwelt, das dem Mädchen Pearl keinerlei Perspektive für die Zukunft bietet. Und das geht mir wirklich nicht nur an die Nieren sondern auch auf die Nerven.