Rezension

Leben im Iran

Eskandar - Siba Shakib

Eskandar
von Siba Shakib

Bewertet mit 4 Sternen

Eskandar wurde 1901 im Süden des Iran, in einem der zahlreichen Dörfer ohne Namen geboren. Als Leibeigenen war den Dorfbewohnern verboten, auf die umliegenden Berge zu klettern. Doch der kleine Eskandar setzt sich über das Verbot hinweg und entdeckt 1908 die „Farangi“, zu denen das Wasser umgeleitet wurde, das den Dorfbewohnern zum Überleben fehlt. Während die Einheimischen allmählich aussterben (auch seine Mutter hat keine Überlebenschancen) geht er zu den Ausländern. Eskandar ist sehr gelehrig, spricht schon nach kurzer Zeit ein wenig Englisch und findet im leitenden Ingenieur einen Gönner, der ihn in einer nahegelegenen Stadt unterbringt und ihm so ermöglicht, lesen und schreiben zu lernen.

Siba Shakib ist mit ihrem Buch gelungen, mir die iranische Geschichte näher zu bringen. Ich habe Probleme damit, mir nur anhand von Kriegen und Jahreszahlen vorzustellen, was die Bevölkerung ertragen hat. Durch Eskandars Lebensweg wurde mir nun Vieles klar. Die Armut der Leibeigenen, die dumm gehalten werden, indem ihnen verwehrt wird, lesen und schreiben zu lernen, wird ebenso deutlich benannt, wie der Kampf der Bevölkerung und deren Aufstand gegen das Unrecht, das ihnen von den Machthabern angetan wird.

Zwar konnte ich mich an den Schah Reza Pahlevi erinnern, dessen Bilder ich als Kind sehr bewunderte, doch wusste ich aus eigener Anschauung nicht, warum er abgesetzt worden war und wieso sich die überwiegende Zahl der Bevölkerung nach der Rückkehr von Khomeni sehnte. Nach der Lektüre dieses Buches konnte ich das endlich verstehen.

Doch nicht nur das politische Hin und Her fesselte mich an das Buch. Auch die Vielfalt der Landschaftsbeschreibungen sprach mich an. Eskandar und die Menschen, die ihn im Laufe seines langen Lebens begegneten, machten die Geschichte sehr lebendig.

Seite 206: „Eskandar musste bitter lachen, als er sich daran erinnert, wie der Mirzu sagte, die eigentliche Quelle des englischen Reichtums ist nicht das Petroleum, sondern unsere eigene Unwissenheit und Dummheit.“

Erwähnenswert sind auch die Zeittafel, das Glossar, das Interview mit der Autorin und die „Hintergründe zur Grünen Bewegung im Iran“ am Ende des Buches. Sie machen diesen Roman so richtig rund.

Fazit: Bisher war die Geschichte des Iran immer sehr weit weg für mich. Durch diesen Roman habe ich vieles mit wacheren Augen sehen gelernt und verstanden, wie sehr die Menschen unter der Fremdherrschaft der Engländer, Russen und Amerikaner gelitten haben und warum der im Westen so hoch gelobte arabische Frühling, der alte Traditionen zu durchbrechen versprach, zu neuen Kämpfen führte.