Rezension

Leben mit allen Höhen und Tiefen

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 4 Sternen

Theodore Finch ist der schulbekannte Freak der Bartlett Highschool in Indiana. Als er morgens auf der Brüstung des Schulturmes steht, bemerkt er, dass er nicht alleine ist. Neben ihm steht Violet Markey, Cheerleaderin und eine der "angesagten" Schülerinnen. Finch bemerkt, dass Violet Angst bekommt und hilft ihr, wieder von der Brüstung herunter zu kommen. Damit sich Violet aber nicht vor der ganzen Schule blamiert, verkündet Finch, dass Violet ihm geholfen habe, die Brüstung zu verlassen und somit sein Leben gerettet hat. Violet wird unerwartet zur Heldin und Finch bleibt einfach der, der er immer war. Doch diese Begegnung bleibt nicht ohne Folgen, denn Finch schafft es, dass Violet ungewollt mit ihm zusammen an einem Schulprojekt teilnimmt und so nach und nach entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden.

Ich habe ein wenig gebraucht, um richtig in das Buch hinein zu finden, denn es hat doch gerade zu Anfang ein paar Längen gehabt, bei denen ich immer wieder aus meinem Lesefluss kam. Doch nach knappen 100 Seiten des Buches hatte mich die Autorin dann doch noch eingefangen mit ihrer Geschichte. Mit viel Gefühl bringt sie sehr markante Themen zur Sprache, denn es geht um eine Krankheit, die doch gerne totgeschwiegen wird. Lange Zeit wird auch gar nicht mit Worten erwähnt, unter was Finch denn tatsächlich leidet, man weiß nur, dass er gerade eine gute Phase hat, in der er nicht im Schlaf (wie er es nennt) versinkt. Jennifer Niven läßt die Geschichte abwechselnd von Finch und Violet aus der Ich-Perspektive erzählen, so dass man beide Teenager mit allen Gefühlen und Gedanken sehr gut kennenlernt. So entsteht trotz einer dramatischen Geschichte auch eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und darüber, dass das Leben doch eigentlich schön ist.

Finch ist ein wirklich beeindruckender Charakter, der mir ausserordentlich gut gefallen hat. Er ist durch und durch vielschichtig und eigentlich auch alles andere als ein Freak, wie er von seinen Mitschülern betitelt wird. Er hat sehr feine Antennen für die Gefühle seiner Mitmenschen und schafft es mit seiner lockeren Art, Violet aus ihrem Loch zu locken. Doch es wird auch von Anfang an klar, dass bei Finch nicht alles eitel Sonnenschein ist, seine Eltern sind seit einem Jahr geschieden, der Vater lebt mit seiner neuen Frau und deren achtjährigem Sohn zusammen, die Mutter hat wenig Zeit für Finch und scheint in ihrer eigenen Welt zu leben. Finch versucht durch äußere Veränderungen und dem dementsprechenden Verhalten seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen und herauszufinden, wer er wirklich ist, so tritt er an einem Tag als Finch der Nerd auf und am nächsten Tag als der brave Finch, doch nur bei Violett ist er der einzig wahre Finch, der sich nicht verstellt. Es scheint wie ein Hilferuf, doch richtig wahr nimmt es niemand, denn er ist ein absoluter Meister im Verstellen.
Violet war die typische beliebte Highschoolschülerin, Cheerleaderin und Mitglied der In-Clique, doch nach dem tragischem Verlust ihrer Schwester fällt sie in ein tiefes Loch aus Trauer und Schuldgefühlen. Sie beschreibt es ihren Eltern gegenüber einmal sehr passend, als sie sagt, dass sie keine Freunde mehr hätte, denn die Welt dreht sich weiter und sie kommt nicht mehr mit. Ich glaube, diese Worte geben sehr gut die Gefühle nach einem Verlust eines geliebten Menschen wieder. Während der Geschichte merkt man, wie sie wieder neuen Lebensmut fasst und immer mehr am Leben teilnimmt.
Die Nebencharaktere bleiben recht blass, aber genau so muss das auch bei dieser Geschichte sein, denn hier sind einfach Finch und Violet Mittelpunkt.
Mein Fazit: eine Geschichte mit viel Gefühl über eine Krankheit, die nur sehr schwer zu verstehen ist. Ich habe beim Lesen Höhen und Tiefen durchlitten, gelacht, gehofft, gebangt, geweint. Dieses Buch hat mich noch lange wach liegen und grübeln lassen. Leider muss ich einen Punkt abziehen, weil mir der Einstieg ins Buch doch zu schwer gefallen ist und trotzdem möchte ich eine Leseempfehlung aussprechen.