Rezension

Lebendig durch den Protagonisten

Das Museum der Welt - Christopher Kloeble

Das Museum der Welt
von Christopher Kloeble

Bewertet mit 3 Sternen

Der Rekrut der Schlagintweits

„Du solltest dich fragen: Wenn die meisten von uns Verräter sind, wer sind dann die wenigsten von uns? Sind das dann nicht die eigentlichen Verräter?“

Inhalt

Bartholomäus lebt als ein Waisenjunge in Bombay und muss sich in seiner Welt gegen allerlei Bösartigkeiten anderer Kinder durchsetzen. Als die Brüder Schlagintweit auf ihn aufmerksam werden, da er fließend jene Sprachen spricht und verstehen kann, die sie für ihre Expedition quer durch Indien dringend benötigen, rekrutieren sie ihn für ihre Zwecke und der Junge begleitet fortan den Train der drei Brüder. Seine persönliche Zielsetzung ist es, das erste Museum Indiens zu gründen, in dem er bemerkenswerte Objekte sammelt, sie aber nicht tatsächlich zusammenträgt, sondern seine Gedanken dazu in schriftlicher Form in einem Notizheft festhält. Dieses begleitet ihn durch die nächsten Jahre an der Seite von Hermann, Adolph und Robert mitten durch ein Land voller Bedrohungen und menschlicher Abgründe, die der Heranwachsende nach und nach immer besser versteht …

Meinung

Auf dieses Buch bin ich auf Grund der zahlreichen positiven Rezensionen aufmerksam geworden und da bereits „Die unsterbliche Familie Salz“ auf meiner Wunschliste stand, wollte ich nun den aktuellen, historisch inspirierten Roman des erfolgreichen Autors kennenlernen, obwohl ich prinzipiell wenig Abenteuerromane gelesen habe und mich auch zu Indien speziell nicht sonderlich hingezogen fühle. Und ich denke, mein fehlendes Interesse für diese Hintergründe hat es mir schwer gemacht, mich wirklich mit der Lektüre zu identifizieren.

Zunächst einmal bin ich wirklich überrascht, mit welcher Leidenschaft, Tiefe und Hingabe der Autor die Figur des jungen Bartholomäus zeichnet, ein überaus liebenswerter, ehrlicher, verständlicher Charakter, der mir auf Anhieb sympathisch war und dessen kindliche Erzählstimme dem Text so viel mehr gibt, als man vermutet. In gewisser Weise bekommt man als Leser hier die Möglichkeit gemeinsam mit dem Erzähler zu reifen, seine sich verändernde Weltsicht zu begreifen und all die kleinen Alltäglichkeiten, mit denen er sein Leben meistert aus erster Hand geliefert zu bekommen. Die Nähe zu dieser Person ist rückblickend das Element, welches mich wirklich an das Buch gebunden hat, denn alles andere, bleibt für mich viel zu blass und uninteressant, vielleicht auch nur zu fremd und unverständlich. Tatsächlich hat mich sowohl die Reise an sich wenig angesprochen, noch die politischen Hintergründe und auch der latente Konflikt zwischen den Geschwistern angespornt durch den Konkurrenzgedanken, empfand ich recht müßig zu lesen. 

Der Schachzug mit dem jungen Erzähler ist wirklich wunderbar, denn viel Weisheit steckt zwischen den Zeilen, viel Hingabe in jedem Satz und der Mut eines Kindes, sich von denkbar schlechten Voraussetzungen zu lösen und voller Tatendrang ins eigene Leben zu starten – alles gewinnbringende Attribute für das Buch. Aber weite des Teile des Romans beschäftigen sich dann doch mit Indien, mit Forschungsreisenden und den dortigen Umwelt- und Wetterbedingungen – eben alles Themen die eine Expedition nun mal tagtäglich begleiten und deshalb einen gewissen Stellenwert einnehmen. Deshalb habe ich mich zu oft während des Lesens gelangweilt, wenn wieder die Essensversorgung oder der Weg über einen lebensgefährlichen Pass anstand oder die Frage danach, wer nun der Verräter im Train ist.

Fazit

Ich vergebe hier leider nur 3 Lesesterne, wobei ich es differenziert betrachten möchte. Ganz einfach weil mir die historische Aufarbeitung, das Setting allgemein, die detaillierte Schilderung einer Forschungsreise wirklich nicht nahe gehen konnte, sondern mich über viele Seiten gelangweilt hat und diesen Aspekt kann dann leider auch der etwas altkluge aber überaus charmante Bartholomäus nicht ganz ausbügeln. Um dieses Buch zu mögen, sollte man sich eindeutig für Kolonialpolitik, Abenteuer, Expeditionsreisen oder das Land an sich interessieren – aber nichts davon hat mich hier überzeugt. Die wirklichen Entdecker standen im Abseits und der Star der Geschichte ist dennoch ein Kind seiner Zeit.