Rezension

Lebensbejahend, authentisch und humorvoll

Wir von der anderen Seite - Anika Decker

Wir von der anderen Seite
von Anika Decker

Bewertet mit 4 Sternen

Rahel wollte gerade noch Weihnachten mit ihrer Familie feiern, fernab der Erwartungen und des Leistungsdrucks, denen sie sich in ihrer Rolle als Drehbuchautorin gegenübergestellt sieht, doch wacht sie plötzlich umgeben von Schläuchen, piepsenden Monitoren und den besorgten Gesichtern ihrer Familie umgeben auf. Mit Schrecken lernt sie, dass sie in ein künstliches Koma versetzt wurde, da sich ihr eigener Körper gegen sie gewandt hat. Stück für Stück kämpft sie sich in ihr altes Leben zurück. Doch ist dies wirklich das Leben, das sie führen möchte?

Ich war sehr gespannt auf das Debüt der Autorin – wobei es sich bei „Wir von der anderen Seite“ in meinen Augen nur um ein halbes Debüt handelt. Denn Anika Decker ist Drehbuchautorin und auch von mir ihr Name bislang – leider! – vollkommen unbekannt war, so sagen mir Kinofilme wie „Keinohrhasen“ oder ihr Regiedebut „Traumfrauen“ doch immerhin namentlich etwas. Auch sah ich auf Instagram deutsche Schauspieler wie zum Beispiel Maria Ehrich das Buch lobend in Händen hielten und meine Neugier war geweckt. 
Schon am Klappentext ließ sich der Humor erahnen, doch wie lustig und unterhaltsam ich das Buch finden würde, war mir wirklich nicht bewusst. Immerhin handelt die eigentliche Geschichte von einem tragischen Krankheitsfall!
Trotz allem Humors hat die Geschichte doch auch sehr nachdenkliche und ernste Züge, es ging in keiner Weise in eine lächerliche Richtung, sondern zeigte auch wiederholt auf, was in Verwandten und Bekannten vor sich geht, an die eine solche Nachricht herangetragen wird. Auch wie unfair das Leben sein kann, doch auch welche schönen Möglichkeiten es bereithält. Der stete Wechsel zwischen tiefer Traurigkeit, lautem Lachen und stillem Mitleiden war wirklich sehr gekonnt umgesetzt. 
Die Charaktere gefielen mir wirklich gut, sie alle waren toll gezeichnet, hatten Ecken und Kanten. Vor allem Rahel und ihr Bruder Juri sind mir im Gedächtnis geblieben, doch auch die nette Krankenschwester, der sorgende Arzt und auch Olli, der Freund von Rahel. 
Gespickt ist die Geschichte mit Einblicken in die Arbeit als Drehbuchautorin, was wirklich super interessant war. Es ist eine Welt für sich, von der ich kein Teil sein möchte, jedoch gerne mehr darüber erfahren würde. Von daher waren die wirklich authentischen Schilderungen eine echte Freude. 
Der Schreibstil ist sehr leicht, der Humor erinnerte mich sehr stark an „Keinohrhasen“. 
Die Geschichte rund um Rahel wirkt so authentisch, so dass ich mich beim Lesen wunderte, ob die Autorin ähnliches selber einmal erlebte. Tatsächlich erfuhr ich in einem Interview, dass sie selber bereits einmal in ein künstliches Koma versetzt worden sei. Doch „Wir von der anderen Seite“ ist keine autobiografische Schilderung, die Autorin bediente sich nur eigener Erfahrungen und Emotionen, was Seite für Seite spürbar ist.  
Einige Szenen fühlten sich aber für mich so an, als wären sie für eine große Leinwand geschrieben, manche funktionierten in reiner Textform für mich nicht ganz. Konkrete Beispiele kann ich leider nicht nennen, es war mehr ein dumpfes Bauchgefühl. 
Doch trotzdem ist es eine ganz wunderbare Lektüre gewesen, die mir unheimlich tolle Lesestunden bereitete. 
Ich wünsche mir sehr, dass die Autorin auch in der Zukunft neben Drehbüchern noch weitere Bücher schreiben wird!