Rezension

Lebensfreude im Hospiz

Einer da oben hasst mich - Hollis Seamon

Einer da oben hasst mich
von Hollis Seamon

Richie steht kurz vor seinem 18.Geburtstag, doch ob er den von vielen Jugendlichen ersehnten Schritt in das Erwachsensein noch erleben wird, ist fraglich, denn Richie hat Krebs im Endstadium. Die letzten Wochen bis zu seinem Tod muss er in einem Hospiz verbringen, wo hauptsächlich alte und gebrechliche Menschen auf ihre letzte Reise warten - bis auf Sylvie. Sie ist erst 15 Jahre alt und Richies große Liebe. Gemeinsam treiben sie (sofern es ihre Kräfte zulassen) viel Unfug im Krankenhaus und schmieden Pläne für die Zukunft, falls ihr Immunsystem vielleicht doch noch die nötigen Kräfte für die Genesung mobilisieren kann oder die Wissenschaft einen bahnbrechenden Durchbruch schafft. Den grenzenlosen Optimismus von Sylvie kann der Protagonist allerdings nicht teilen, denn die Chancen für einen Junge mit dem EDOHM-Syndrom, was bedeutet, dass eine höhere Macht ihn in diese missliche Lage gewünscht hat, stehen denkbar schlecht.

Mir hat der Roman von Hollis Saemon sehr gut gefallen, weil der Alltag im Hospiz authentisch, aber nicht zu bedrückend dargestellt wurde. Man spürt deutlich, dass die Amerikanerin selbst (gezwungenermaßen durch die Pflege ihres Sohnes) einige Zeit in den Fluren und Zimmern solcher Einrichtungen verbracht hat und nicht nur wie unbeteiligte Besucher den bedrückenden Geruch nach Desinfektionsmitteln wahrnimmt.

Aus der Sicht eines Jungen geschrieben, dem manchmal schon die Kräfte zum Aufrichten im Bett fehlen und trotzdem nicht den Sinn für Ironie und Abgeklärtheit verlor, hat die Autorin dennoch ein starke Persönlichkeit gemacht. Aufgrund seines Schicksals lässt er sich nicht hängen, sondern genießt die Treffen mit seinem flippigen Onkel oder die Gespräche mit der hübschen Sylvie unendlich. Vollkommen in seine Gefühlswelt aufgenommen, habe ich mich zwar nicht gefühlt, weil er bei heiklen Themen gerne abwiegelt und sie unter den Teppich kehrt, aber durch seine kindliche Ader, die durch das Kuscheln mit seiner Sternendecke ein Gesicht bekommt und natürlich seine furchtbaren Begleiterscheinungen der Krankheit, war er mir sofort sympathisch! Der lockere Schreibstil vermitteln zudem den Eindruck, als würden wir die Geschichte aus erster Hand am Bett des Patienten hören.

Die Hoffnung, dass es auf der Hospiz-Station vielleicht ein kleines Wunder gibt und das Pärchen Hand in Hand die Medikamente absetzen kann, flackert vermutlich automatisch bei den Lesern in regelmäßigen Abständen auf, sodass wir bis zum Ende mitfiebern.

Ein regelrechter Stimmungskiller der Handlung ist allerdings Sylvies herrischer und ungehobelter Vater, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt und damit allen Beteiligten (inklusive den Lesern) die Laune vermiest. Klüger wäre hier in meinen Augen einen etwas weniger aufbrausenden Charakter dem schwächlichen Richie entgegenzusetzen, obwohl er sich ohne Frage wacker schlägt!