Rezension

Lehrreich, unterhaltsam, intensiv

Worauf wir hoffen - Fatima Farheen Mirza

Worauf wir hoffen
von Fatima Farheen Mirza

Bewertet mit 4 Sternen

Der dunkle Fleck im Herzen

„Und was geschieht, wenn du sündigst? Dann bekommst du einen Fleck im Herzen, einen dunklen kleinen Fleck. Ein Fleck, der nicht mehr weggeht. So fett und schwarz, dass das Herz nicht mehr imstande ist, Gut und Böse zu unterscheiden.“

 

Inhalt

 

Die Ehe von Laila und Rafik ist zwar arrangiert, doch die Liebe lässt nach drei gemeinsamen Kindern nicht mehr auf sich warten. Eine Beziehung, die durch Respekt und Zuwendung geprägt ist und die viele gemeinsame Jahre im Guten wie im Schlechten überdauert hat. Beide stammen ursprünglich aus Indien und leben als streng gläubige Muslime schon viele Jahre in Amerika. Unter diesen Bedingungen wachsen nun auch ihre Kinder Haida, Huda und Amar auf – die Töchter werden nach alter Tradition beschützt und zu Gehorsam und Sittlichkeit erzogen, während der Sohn die Familie repräsentieren soll und sie mit Stolz und Ehrgefühl bereichern darf. Doch die Sehnsucht der Eltern nach diesem Idealbild will sich einfach nicht erfüllen, denn gerade ihr Jüngster entwickelt sich zu einem Rebell und bricht mit Regeln, Traditionen und Wunschvorstellungen jeder Art. Sein Zuhause bleibt ihm eine unerfüllte Sehnsucht, die er bewusst hinter sich lässt und doch nicht aus dem Herzen verbannen kann. Und auch die Töchter wachsen in einer anderen Zeit auf, sie sind viel selbstständiger als ihre Eltern, studieren, leben nur noch eine leichte Variation der elterlichen Religionsverbundenheit und integrieren alle Möglichkeiten, die sich ihnen offenbaren voller Überzeugung in ihr Leben. Und so müssen die Eltern schmerzlich erleben, wie schwer es ist, die Nachkommen gehen zu lassen, deren Wege zu akzeptieren und mit differenzierten Ansichten konfrontiert zu werden.

 

Meinung

 

In ihrem Debütroman widmet sich die junge Autorin Fatima Farheen Mirza einer Familiengeschichte, die gleichermaßen besonders und weitreichend ist. Sie erforscht die Tatsache, was Familien im Innersten zusammenhält und welche Probleme sie über die Jahrzehnte bewältigen muss. Viel Raum für Liebe, Glaube und Zuversicht wird gewährt ebenso wie bittere Erkenntnisse, nicht gutzumachende Fehler und die schier ungreifbare Gewalt des Schicksals, dem man nur begrenzt etwas entgegensetzen kann.

 

Diese Geschichte bereichert die Buchlandschaft um ein buntes, vielschichtiges Geschehen innerhalb einer kleinen Gruppe, deren Mitglieder sich einerseits verpflichtet und verbunden fühlen, die aber auch sehr genau registrieren, dass sich ihr Zusammenhalt zu eng, zu unausgewogen und bremsend auf ihre Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Die Erzählung folgt keiner Chronologie, was anfangs etwas verwirrend wirkt, doch man gewöhnt sich schnell an die vielen kleinen Episoden erzählt aus dem Leben der jeweiligen Person, so dass die Zeitsprünge eher eine generalistische Aussage hervorrufen und die kleinen Nuancen und Verletzungen gut spürbar werden. Darüber hinaus schafft es die Autorin, für einen fremden Kulturkreis Feingefühl und Verständnis zu vermitteln, denn wer kann schon aus seiner Haut, wenn der ganze Glaube so stark auf ein bestimmtes Idealbild konzentriert ist?

 

 Das Aufwachsen der Kinder in einem strengen, an Konventionen gebundenen Elternhaus ist nicht einfach, zumal die Schwestern und Brüder ständig um Anerkennung bei beiden Elternteilen buhlen und damit auch ihre harmonische Geschwisterkonstellation ins Wanken gerät. Und genau dieser Ansatzpunkt hat mir bei der Lektüre am Besten gefallen: Das Betrachten einer ganz normalen, greifbaren Familie, die mit allen Mitteln um die Liebe kämpft und doch nur hoffen kann, dass die Zeit alle Wogen glättet.

 

Dennoch hat die Erzählung ihr Längen, werden doch einige Sachverhalte immer wieder zur Sprache gebracht und derart ausführlich beleuchtet, dass ich an dieser Stelle eine Straffung des Textes als wohltuend empfunden hätte. Auch der kulturelle Knackpunkt ist nicht so dramatisch wie erwartet, denn obwohl Glaubensfragen durchaus zur Debatte stehen, ergibt sich zu wenig Reibungsfläche, so dass die Erzählung für mich eher universellen Charakter hat und sich zielgerichtet mit Beziehungsmustern auseinandersetzt, doch das hätte ebenso gut in einer Familie ohne muslimischen Hintergrund funktioniert.

 

Fazit

 

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für einen intensiven, auf zwischenmenschliche Belange konzentrierten Familienroman, der viele Parallelen zum echten Leben aufweist. Gut gezeichnete Charaktere, bunte Erzählperspektiven und eine fundierte Innenansicht von Menschen, Gedanken und Gefühlen werden hier erschaffen. Doch der „Wow“- Effekt hat mir etwas gefehlt, dafür verliert sich einiges auf dem Weg zwischen Kindheit und Erwachsenwerden der Protagonisten. Sehr gelungen finde ich die Auseinandersetzung mit Geschwisterbeziehungen, Elternproblemen und der weisen Einsicht, dass man Kinder in die Welt setzt, um sie eines Tages ziehen zu lassen und der Weg dorthin ein steiniger ist, gepflastert mit Enttäuschungen, Bewunderung aber auch Überraschungen, die man erst im Lauf eines Lebens gänzlich begreifen kann. Ich vergebe eine Leseempfehlung, mir hat der Roman gerade als dreifache Mutter manches gezeigt, was im Alltag untergeht …