Rezension

Leicht zu lesender Familienroman mit einigen Schwächen

Ein wenig Glaube - Nickolas Butler

Ein wenig Glaube
von Nickolas Butler

Bewertet mit 2.5 Sternen

Als Shiloh mit ihrem fünfjährigen Sohn in das Haus ihrer Eltern Lyle und Peg zurückkehrt, sind diese überglücklich, die Beiden bei sich zu haben. Die einzige Unstimmigkeit zwischen ihnen gibt es wegen Shilohs Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, die recht rigorose Ansichten vertritt. Als sie mit ihrem Sohn auszieht, um mit dem Pfarrer zusammenzuleben, haben Lyle und Peg Angst, dass ihnen die Beiden völlig entgleiten. Mühsam halten sie den Kontakt aufrecht und müssen bald erkennen, dass ihre Ängste nicht unbegründet sind.
Ein spannendes Thema: Wie intelligente, selbstbewusste Menschen sich in den Fängen einer Sekte verwandeln und selbst das Leben ihrer Kinder aufs Spiel setzen, ist momentan vielleicht kein Thema für die Titelseiten, aber sicherlich noch immer sehr aktuell. Daraus hätte eine gute, packende und aufschlussreiche Geschichte werden können; stattdessen wurde es ein gefühlvoller Familienheimatroman, der jede Menge Längen hat.
Hauptfigur ist der 65jährige Lyle, der nach dem Tod seines erstgeborenen Sohnes mit nur sechs Monaten den Glauben an Alles verloren hat. Voller Liebe für seine Tochter und seinen Enkel versucht er aufrichtig zu verstehen, was dieser Glaube für sie bedeutet. Seine Auseinandersetzungen mit sich selbst machen einen Großteil des Buches aus: seine Gedanken über Schicksal, eine höhere Macht – oder doch nur Zufall? Eine Auslieferung von Äpfeln mit dem LKW beispielsweise zieht sich über 31 Seiten hin, um die Bedeutung von höheren Mächten (oder auch nicht) herauszustellen – 20 Seiten weniger hätten es auch getan.
Nickolas Butlers Sprache ist sehr sehr bilderreich, was mir persönlich schon etwas zu viel des Guten war. Dabei werden Vergleiche herangezogen, bei denen ich nur mit dem Kopf schütteln konnte bzw. lachen musste: "Lyle machte das alles nichts aus, solange sie (die Touristen) ihr Geld im Ort ließen, wie nasse Fußstapfen, die unweigerlich irgendwann verdunsten würden." Oder "... der Kirchenraum drehte sich langsam vor ihren Augen, als säßen sie im Innern eines Fabergé-Eis ..." oder "... die Schreibschrift, die wie Champagner daraus hervorzusprudeln schien ...". Sehr gefühlig wird es bei den vielen Landschaftsbeschreibungen, bei denen man sich denken kann, dass der Autor aus dieser Gegend stammt und seine Heimat liebt.
Nicht so gut gelungen empfand ich die Charakterisierung seiner Figuren. Zwar wird der ‚Bösewicht‘ Steven durchaus ambivalent gezeigt, doch es bleibt bei einem Mal, danach ist er auf seine Rolle festgelegt. Oder Shiloh, Lyles Tochter. Für mich war ihre Wandlung von einer selbständigen jungen Frau hin zu einem praktisch hörigen Sektenmitglied nicht nachvollziehbar.
So bleibt es bei einem unterhaltsamen Familienroman mit einigen Schwächen, der zwar ein ernstes Thema anschneidet, aber bedauerlicherweise nur an der Oberfläche kratzt.