Rezension

Leider am Thema vorbei - hat mir nicht gefallen

Die Tyrannei des Schmetterlings - Frank Schätzing

Die Tyrannei des Schmetterlings
von Frank Schätzing

Bewertet mit 1.5 Sternen

Gestaltung
Das Hörbuch wurde in einer gekürzten Lesung produziert und hat eine Laufzeit von ca. 22 Stunden. Ich war selten so froh, ein gekürztes Hörbuch vor mir zu haben. Warum? Das werde ich in dem Abschnitt in dem ich auf den Inhalt eingehe, noch weiter begründen.

Sascha Rotermund interpretiert die Geschichte. Er hat eine angenehme Stimmfarbe, die gut zu der Atmosphäre der Geschichte gepasst hat. Dennoch konnte er mich mit seiner Interpretation nicht vollständig überzeugen. Bei Die Tyrannei des Schmetterlings wird deutlich, wie schwierig es sein kann, ein Hörbuch zu interpretieren, das einen sperrigen Schreibstil hat. Sascha Rotermund versuchte Schätzings ausführliche Beschreibungen in seiner Interpretation hervorzuheben, was bei mir nur dafür sorgte, dass der Effekt der Übertreibung verstärkt wurde. Zudem hatte ich den Eindruck, dass er nicht so recht wisse, wie er das Sperrige im Schreibstil lebendig werden lassen könnte.
Seine Stärken konnte Sascha Rotermund aber beweisen, wenn es um die Interaktion unserer Charaktere ging. Mir haben hier seine Interpretationen der Dialoge sehr gut gefallen.

Inhalt
Frank Schätzing widmet sich in Die Tyrannei des Schmetterlings dem schwierigen Thema künstliche Intelligenz. Allerdings dauert es sehr lange, bis wir erfahren, welche Rolle die künstliche Intelligenz in diesem Hörbuch spielt. 

Zu Beginn der Geschichte erfahren wir erst einmal, dass es einen Mord aufzudecken gilt. Und das wirkte auf mich eher wie ein kleines Krimi Klischee, das von den Charakteren unterstützt wurde, auf die ich im Laufe der Rezension noch weiter eingehen werde.

Dafür, dass der Schwerpunkt der Handlung auf dem Thema künstliche Intelligenz liegen sollte, dauerte es mir viel zu lange, bis wir zu diesem Handlungsstrang vorgedrungen sind. Die erste Hörbuch CD zog sich ziemlich in die Länge und Schätzing baut hier ein Element ein, das ich definitiv nicht mit künstlicher Intelligenz in Verbindung gebracht hätte, sondern mehr mit Sciene-Fiction.

Zudem fehlte mir der rote Faden in der Handlung. Die Handlungsstränge liefen zwar zusammen, wurden aber nicht gut miteinander verwoben oder zum Schluss wieder aufgelöst, was mich ziemlich störte. Ich hatte mehr den Eindruck, dass Schätzing dem Hauptthema seiner Geschichte ausweicht, das Thema künstliche Intelligenz mehr andeutet, aber nicht wirklich darauf einsteigt. Natürlich wird die berechtigte Kritik an dem Thema künstliche Intelligenz deutlich, allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die Kritik in die Geschichte eingeflochten und nicht mal eben so im Showdown angeschnitten wird.

Kommen wir nun zu unseren Protagonisten Luther und Ruth. Beide arbeiten bei der Polizei und hatten es bisher in ihrem Leben nicht leicht: Luther ist alleinerziehender Vater und blickt auf eine gescheiterte Ehe zurück, während Ruth mehr oder weniger zwangsversetzt wurde.

Gerade Luther kam mir hier stellenweise sehr klischeehaft vor: Einsamer Kommissar, der einen Mordfall lösen will, aber selbst am Rande des Abgrundes steht. Im Laufe der Geschichte wird er vor eine schwierige Herausforderung gestellt, die - wie sollte es anders sein - mit seiner Vergangenheit zu tun hat.
Allerdings: Und das fand ich eines der frustrierendsten Dinge: Wir erfahren nicht, wie er sich entscheidet.

Ruth hat eine raue Schale, aber einen weichen Kern. Sie und Luther sind ein eingespieltes Team, das sich gegenseitig bei der Arbeit unterstützt und auch zusammenhält. Sie mochte ich fast lieber als Luther, weil sie nicht ganz klischeehaft wirkte und ziemlich gute Sprüche zur Geschichte beisteuert.

Frank Schätzing führt in Die Tyrannei des Schmetterlings auch viele Nebencharaktere ein, die im Laufe der Geschichte zusammenarbeiten müssen, um eine Mission zu erfüllen. An sich fand ich diese vielen Charaktere etwas unübersichtlich und ich neigte dazu, viele miteinander zu verwechseln.
Es gab aber, als der Spannungsbogen anstieg, ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl, weil man merkte, dass hier eine Gruppe zusammenarbeiten muss, um ein Ziel zu erreichen.

Allerdings waren mir die Charaktere zu oberflächlich. Das was an Tiefe angedeutet wurde, unterschied sich für mich nicht groß von den vielen, vielen Krimis, die es bereits schon gibt. Und das enttäuschte mich wirklich.
Erstmals gibt es also für den Inhalt in meiner Bewertung keinen Punkt.

Spannung
Leider dauerte es mir zu lange, bis der Spannungsbogen wirklich aufgebaut war. Gefühlt hatte man das erste Drittel der Geschichte gnadenlos zusammenstreichen können.

Als die Fronten allerdings geklärt waren, nahm die Handlung rasant an Fahrt auf und ich war gespannt, wie unsere Charaktere ihre Aufgabe meistern würden und ob es mit der Tyrannei ein gutes Ende hatte.

Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass die Handlungsstränge und der Spannungsbogen besser miteinander vermischt werden und das vor allem der Spannungsbogen gleichmäßiger verläuft und nicht das erste Drittel gebraucht wird, bis es mit der Handlung richtig los geht.

Schreibstil
Frank Schätzings Schreibstil konnte mich bei Die Tyrannei des Schmetterlings leider nicht überzeugen.

Zum einen lag es daran, dass er viel Zeit darauf verschwendet hat, alltägliche Dinge, größer darzustellen, als sie eigentlich sind. Natürlich sind sprachliche Bilder für eine Geschichte wichtig, um die Handlung auszuschmücken und den Leser in die Handlung eintauchen zu lassen. Schätzing Wortwahl wirkte auf mich aber eher hochgestochen. Ich fragte mich oft, warum er so viel Zeit braucht, um diese eine Szene zu beschreiben, die man in zwei Sätzen hätte erzählen können.

Zum anderen verwirrten mich seine Perspektivenwechsel: Die Geschichte wurde jeweils aus der Sicht von Luther und Ruth erzählt. Diese Perspektiven waren aus der dritten Person geschrieben. Dann gab es aber noch Abschnitte, in denen Luther direkt angeredet wurde wie beispielsweise "Du überlegst dir, was du tun sollst." Das verwirrte mich dann völlig, weil ich überhaupt nicht wusste, ob es sich hier um einen Traum, eine Vogelperspektive oder etwas völlig anderes handelte.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich Frank Schätzing mehr darauf konzentriert die Handlung voranzubringen und sich nicht mit banalen oder mysteriösen Beschreibungen aufhält, die er aber nicht weiter präzisiert.

Gesamteindruck
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit Die Tyrannei des Schmetterlings so gar nichts anfangen kann. Ich habe mich gefragt, ob es wirklich an der Geschichte als solche lag, oder ob mir nun einfach Elemente an Frank Schätzings Schreibstil aufgefallen sind, die ich früher nicht wahrgenommen habe.

Ich finde es immer etwas schade, wenn mich ein Hörbuch gar nicht überzeugen konnte, weil es in den wenigsten Fällen an der Produktion oder an der Sprecherwahl liegt. Und im Endeffekt läuft es auf eine schlechte Bewertung hinaus, weil der Inhalt einfach nicht packen konnte.

Zusammenfassend kann ich sagen: Wer einen langen Atem hat, mit ausschweifenden Beschreibungen gut zurechtkommt und Sascha Rotermund gerne zuhört, kann zum Hörbuch greifen.
Wer solche Beschreibungen eher überfliegt, sollte sich vielleicht vorsichtig der Printausgabe nähern.

Kommentare

sphere kommentierte am 02. November 2018 um 00:00

Deine Rezension unterschreibe ich in allen Punkten! Sehr gut!