Rezension

Leider eine Enttäuschung

Die Frauen von Richmond Castle - Tracy Rees

Die Frauen von Richmond Castle
von Tracy Rees

Bewertet mit 2 Sternen

In ihrer Danksagung schreibt Tracy Rees, dass sich jedes ihrer Bücher von den bereits erschienenen unterscheidet. Nachdem ich gestern die letzten Seiten von "Die Frauen von Richmond Castle" gelesen habe, kann ich dies nur bestätigen - leider! "Die Reise der Amy Snow" fand ich absolut bezaubernd und großartig geschrieben. Auch "Die zwei Leben der Florence Grace" hat mich begeistert, es war anders als das Debüt, aber dennoch spannend. Doch Tracy Rees' neuester Roman hat nichts mit diesen beiden Büchern gemein. Weder vom Stil, noch von der Spannung oder der Figurenzeichnung kann "Die Frauen von Richmond Castle" mithalten.

Der Anfang mit seiner Geburtstagsfeier für Blue und der alkoholgeschwängerten Aufforderung ihres Vaters, seiner Tochter Liebesbriefe zu schreiben, um auf diese Weise um sie zu werben, fand ich noch sehr schön und ich war voller Vorfreude auf den Rest des Buches - so wie ich es von der Autorin gewohnt war. Doch nach einigen Kapiteln erlosch die Anfangseuphorie. Es plätscherte dahin und weder die Figuren noch die Geschichte an sich versprühten Leben.
Die Figuren! Meine Güte, alle sind so derart NETT, dass es einfach nur langweilig ist. Ambivalenz ist rar gesät, vieles ist einfach nur Schwarz oder Weiß. Keine Figur war so gezeichnet, dass ich sie gern hatte oder an ihrer Geschichte interessiert war. Alles waren so verständnisvoll und zugänglich, dass ich teilweise in die Geschichte eingreifen und alle schütteln wollte. Da war das Auftauchen des ekligen Ehemannes fast schon eine Erleichterung.

Zu den netten Figuren gesellen sich zahlreiche Ungereimtheiten in den Handlungen und Logikfehler sowie eine gewöhnungsbedürftige Sprache. Als Beispiel: Blue hat einen Kollegen, der durchgehend fies zu ihr ist. Blue reagiert fast nie darauf und bis auf ein "Esel" rutscht ihr auch kein böses Wort über die Lippen. Wehren tut sie sich erst recht nicht und das, obwohl Blue eigentlich eine eigenständige Frau ist, die tun und lassen kann, was sie will und sonst auch nicht auf den Mund gefallen ist. Wozu diente dieser fiese Reporter? Seine Anwesenheit habe ich nicht verstanden. Auf der anderen Seite schleudert Blue eines Tages einem Jugendfreund ins Gesicht, er wäre "ein widerliches, hassenswertes Stück Scheiße". Wie bitte? Ich kenne mich im Slang der 1920er Jahre nicht so aus, vielleicht sind Ausdrücke wie "ein Stück Scheiße" oder das ebenfalls benutzte "krass" auch üblich gewesen, es liest sich jedoch befremdlich.

Zudem scheinen die Personen teilweise selbst nicht zu wissen, welche Charaktereigenschaften sie erhalten haben - so wie oben schon bei Blue erwähnt. Auf einer Seite wechselt die Haarfarbe einer Frau von dunkel zu hell - sehr nervig! Natürlich kann alles so gewollt sein (bis auf die Haarfarbe, das ist eindeutig ein Fehler), aber vieles liest sich so, als hätte die Autorin ein wenig den Überblick über ihre Figuren verloren.

Zum Abschluss muss ich auch den Klappentext bemängeln, der aus meiner Sicht nicht ganz zutreffend ist. Zwar ändern sich die Dinge nach Delphines Ankunft, aber z. B. für Schwangerschaften kann sie nun wirklich nicht verantwortlich gemacht werden, so dass das Geheimnis wohl auch ohne sie ans Licht gekommen wäre. Der Klappentext lässt auf mehr hoffen und das bietet "Die Frauen von Richmond Castle" leider nicht.

Fazit: Ein dahinplätschernder, zu langer Historienroman mit faden Figuren und Logiklöchern. 2 Punkte vergebe ich für das Setting, eine Leseempfehlung kann ich leider nicht aussprechen. Lieber eines der anderen genannten Bücher der Autorin lesen.