Rezension

Leider nicht ganz mein Fall

Fun Home
von Alison Bechdel

Bewertet mit 3 Sternen

In Fun Home verarbeitet Alison Bechdel den Tod ihres Vaters und ihre nicht immer glückliche Kindheit im dörflichen Beach Creek. Es ist eine Mischung aus Entwicklungsroman und Familiengeschichte, die mit comichaften Zeichnungen und Akzenten in blauer Tusche illustriert ist

Passend zur Stimmung der Geschichte wirken die Zeichnungen und die Mimik der Dargestellten meist distanziert und kalt. So gut wie nie ist ein Lächeln zu sehen. Die hellen Blautöne unterstreichen den frostigen Eindruck. Auch in den kurzen Sätzen, in denen Alison erzählt und beschreibt, findet sich nicht viel Emotion. Die Stimmung, die in der Familie herrscht, kann man sich so sehr gut vorstellen. Jeder ist für sich, Zuneigung wird nicht gezeigt, Wärme gibt es kaum. So, wie Bechdel ihren Vater darstellt, dachte ich mir mehr als einmal: „Was für ein Ar***loch.“ Von daher habe ich überhaupt nicht verstanden, dass sie auf den letzten Seiten von einer besonderen Zuneigung, einer speziellen Verbindung zu ihm sprach. Wo kam das denn her? Habe ich etwas verpasst?

Was mich auch störte, waren die vielen literarischen Verweise. Man sollte nicht meinen, dass das möglich ist, aber so war es. Alison wie ihr Vater sind richtige Bücherwürmer, ihre Mutter ein Theaterfan. Es gibt viele Anspielungen und von beiden gezogene Parallelen zu Scott F. Fitzgerald und seinem Werk, Homers Odyssee und am Ende zu James Joyce' Ulysses. Ich habe aber – Entschuldigung – bisher keins dieser Bücher gelesen und fand die Vergleicht teilweise etwas verwirrend, uninteressant oder weit hergeholt. Ironischerweise findet Alison Ulysses – das Lieblingsbuch ihre Vaters - als Studentin ziemlich doof. In der Novel schmeißt sie aber mit Zitaten und Verweisen daraus um sich. Auch zeichnerisch fand ich es keinen großen Wurf. Ein Comic halt. Allerdings: Bis auf die Bilder in Kreuzschraffur jeweils am Kapitalanfang. Die waren ein kleines gestalterisches Highlight.

Die erste Hälfte der Geschichte hat mit sehr gut gefallen. Der distanzierte Stil, das Gefühl, dass Alison Bechdel viele Dinge nur andeutet und die doch sehr spezielle Familie hatten etwas einnehmendes. Danach ging es aber leider immer weiter bergab, bis ich es am Ende gar nicht mehr mochte. Es gibt keinen Sympathieträger in der Geschichte. Dafür zu viele Verweise und ich sehe einfach die Intention nicht ganz. Als „Memento Mori“ für Bechdels Vater kommt er viel zu schlecht weg. Für eine Aufarbeitung ihrer Kindheit und Jugend ist es zu distanziert und ungenau. Und über das fast schon nebensächlich wirkende Comming Out gibt es bessere Bücher. Ich habe das Gefühl, hier wurde nur an der Oberfläche gekratzt. Schade drum.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. Januar 2018 um 19:59

Genau aus diesen Gründen hat mir Nial Williams "Die Geschichte des Regens" so sehr missfallen. Bücher zu erwähnen und mit einigen Zitaten um sich zu schmeißen, macht noch kein Buch aus. Ganz anders in Erika Johannsens Trilogie: The Queen of the Tearling. (grins).

katzenminze kommentierte am 11. Januar 2018 um 20:53

Jaja, die Queen... Die habe ich so gar nicht auf dem Schirm, aber ich muss mal gucken gehen bei dir. ;) Ich denke bei dem Titel irgendwie gleich an ein schlachtenreiches Fantasyepos.

LySch kommentierte am 11. Januar 2018 um 20:20

Ach schade, das klang irgendwie so vielversprechend! :-/ Aber richtig schöne, ehrliche Rezi!

Zu Weihnachten habe ich ja eine RICHTIG tolle Graphic Novel bekommen: "Dich hatte ich mir anders vorgestellt" <3 Es geht um einen Vater, der mit der Behinderung seiner Tochter (Trisomie 21) konfrontiert wird... sehr berührend und toll gezeichnet! :) Nur ein kleiner Tipp an den Junkie ;)

katzenminze kommentierte am 11. Januar 2018 um 20:55

Aaaah, ich habs bei dir im Status gesehen, dachte aber es sei "nur" ein Kerl der Papa wird. ;) So hört's sich doch gleich interessanter an! :D