Rezension

Leider nicht ganz, was der Klappentext verspricht

Für jede Lösung ein Problem - Kerstin Gier

Für jede Lösung ein Problem
von Kerstin Gier

Gerris Leben scheint ein vollkommenes Desaster zu sein. Liebesleben, Arbeitsleben und sonstiges Leben ist nicht mehr zufriedenstellend und von ihrer Familie fühlt sie sich nicht wert geschätzt. Als einziger Ausweg bleibt ihr nur noch der Selbstmord. Doch sie verlässt diese Welt nicht, ohne Briefe an ihrer Hinterbliebenen. Darin nimmt sie kein Blatt vor den Mund und spricht die Wahrheit aus, die sie schon so lange für sich behalten hat. Das mit dem Selbstmord geht in Hose, doch die Briefe machen sich dennoch auf den Weg zu ihren Empfängern. Nun muss Gerri hinter ihren Worten stehen und sich dafür verantworten. 

Kerstin Gier behandelt in diesem Buch ein doch sehr ernstes Thema. Da sie den Fokus in dieser Geschichte allerdings auf etwas anderes legt, kann der Leser die Geschehnisse durchaus witzig finden, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Gerri, unsere Protagonistin, nimmt sich selber ziemlich oft auf die Schippe und hat einen sehr trockenen, sarkastischen (wenn es das richtige Wort dafür ist) Humor. Ich musste beim Lesen nicht laut los lachen, aber das Schmunzeln konnte ich mir dennoch oft nicht verkneifen. 
Gerri ist eine der wenigen Charaktere, die wirklich liebenswert sind und das Buch eventuell lesenswert machen. Eigentlich ist es eine gute Eigenschaft des Autors, wenn er es schafft, dass beim Leser Gefühle ausgelöst werden. Doch ich kann mich nicht damit arrangieren, wenn ich über 80% der Charaktere nicht leiden kann. Ich habe mich mehr darüber aufgeregt, wie die Personen in dem Buch teilweise handeln, reagieren und vor allem mit Gerri umgehen, als alles andere. Diese negative Stimmung hat sich dann leider auf das Buch übertragen. Es wäre durchaus angemessener, wenn ein paar freundlichere Personen vorhanden sind. Am schlimmsten finde ich die Mutter. Welche Mutter kennt nicht mal die eigenen Namen ihrer Töchter? Sie hat ständig die Anfangsbuchstaben der Frauen zusammengewürfelt und ein Wort neu erfunden. Das fand ich so störend. Da konnte ich nur noch den Kopf schütteln. So überspitzt, wie die Mutter dargestellt wird, ist die ganze Geschichte. 
Kerstin Gier übertreibt an einigen Stellen extrem.  Auf das ganze Buch betrachtet ist das allerdings keineswegs ein negativer Kritikpunkt. Es passt ins Gesamtbild der Geschichte und verliert den Bezug zur Realität nicht. Ihr Schreibstil ist sehr angenehm. Wäre es das nicht gewesen, hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht so schnell lesen können und hätte eventuell sogar abgebrochen. 
Das Buch lässt sich in zwei Teile aufspalten. Teil eins ist die Vorgeschichte, wie es zu Gerris Entschluss kam, sich umbringen zu wollen. Im zweiten Teil geht es dann, wie der Klappentext erahnen lässt, darum, wie Gerri mit ihren Mitmenschen umgeht oder besser gesagt sie mit ihr, nachdem sie die knallharte Wahrheit ins Gesicht gesagt bekommen. Zwischendurch erhält der Leser natürlich auch Einblicke in die geschriebenen Briefe, um zu verstehen wie Gerri sich fühlt und um ein Bild der Personen zu bekommen - wie oben schon gesagt, in den meisten Fällen leider kein Gutes. 
Auf den zweiten Teil habe ich mich am meisten gefreut, denn das ist ja das Spannende an der ganzen Thematik. Leider kam das viel zu kurz. Ich hätte mir viel mehr Dramatik gewünscht. Irgendwie geht kaum einer auf die Briefe ein oder zumindest nicht in einem angemessenen Ausmaß. Die Geschichte schleicht so vor sich hin und Gerri muss sich kaum damit befassen. Sie sagt zwar, dass sie sich schämt und am liebsten auswandern möchte, aber die Briefe sind dafür nicht der Hauptgrund. 
Wenn ich Gerri wäre, würde ich mich von diesem Umfeld fernhalten, denn da kann man nur krank werden. Aber trotz dem Kerstin Gier ein ernstes Thema mit Humor behandelt, verliert sie den Ernst dabei nicht und hinterlässt am Ende der Geschichte einen kleinen Appell an die Menschheit.

Alles in Allem muss ich sagen, dass mich der Inhalt ein kleines bisschen enttäuscht hat und nicht gehalten hat, was der Klappentext versprochen hat. Es wurde zu wenig auf die Briefe eingegangen. Da hätte ich mir mehr Details gewünscht. Die Charaktere finde ich - bis auf Gerri und ein paar wenige Ausnahmen - sehr anstrengend und überspitzt. Die negativen Gefühle, die ich für diese Personen hegte, haben sich leider auf das ganze Buch übertragen und die wenigen lustigen, sowie schönen Momente konnten das nicht wieder ausgleichen. Einzig und allein Gerri hat das Buch lesenswert gemacht. Sie ist so cool, man muss sie einfach mögen und möchte natürlich wissen, wie sich ihr Leben zusammenfügt.