Rezension

Leider nur ein mittelmäßiger Roman

Die Geschichte eines Lügners
von John Boyne

Bewertet mit 3 Sternen

Meine Geschichte zu ihren Ideen

„Ich hatte zu allen eine Meinung und hielt auch nie damit hinter dem Berg, war äußerst zufrieden mit mir, wenn eine meiner wohlplatzierten Herabwürdigungen gelegentlich für Zündstoff sorgte und ich dann bei der nächsten Begegnung mit dem jeweiligen Autor behaupten konnte, die Bemerkung sei völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden.“

Inhalt

Achtung enthält Spoiler

Maurice Swift hat zwei Ziele im Leben: ein erfolgreicher Romanautor zu werden und Vater eines Kindes. Beides gelingt ihm, allerdings nicht auf dem herkömmlichen Weg, sondern mittels seines Talents, sich anderen erfolgreich zu verkaufen und ihr Vertrauen zu erschleichen, nur um sie dann, nach dem Erreichen des Etappenziels fallenzulassen und sich nach der nächsten lukrativen Möglichkeit umzuschauen. Schon in jungen Jahren schmuggelt er sich förmlich in die Literaturszene, indem er einfach die pikante Lebensgeschichte eines bereits anerkannten Autors aufschreibt und sie ohne dessen Wissen, gewinnbringend vermarktet.

Immer wieder braucht er andere, um sein eigenes künstlerisches Schaffen voranzutreiben, denn ihm fehlen einfach die Ideen für neuen Romanstoff. Dabei ist es ihm gleichgültig, wen er verletzt und ausnimmt, er folgt konsequent seinen Zielen und geht dabei auch über Leichen. Sein skrupelloses Vorgehen kennt keine Grenzen und er verspielt seine Lorbeeren nach und nach, denn irgendwann kommen neue Autoren, die besser sind als er und Kritiker, die seine Vorgehensweise durchschauen. Für Maurice bleibt irgendwann nur noch die Einsamkeit und der Alkohol übrig und sein letzter Wunsch, endlich jene Anerkennung zu finden, nach der er Zeit seines Lebens lechzte …

Meinung

Der irische Bestsellerautor John Boyne gehört zu meinen Lieblingsautoren, denn er vermag es fiktive Geschichten so lebensnah und emotional zu gestalten, wie ich es mag. Deshalb war ich auf sein neuestes Buch sehr gespannt und bin natürlich mit einer entsprechend hohen Erwartungshaltung an die Lektüre gegangen.

Aber schon im ersten Drittel des Buches wurde mir klar, dass die Geschichte um den aalglatten und berechnenden Maurice, nicht in der Liga seiner anderen Romane mitspielen würde. Dabei liegt das nicht mal an dem durch und durch unsympathischen Protagonisten, sondern zunächst an dem scheinbar willkürlichen Aufhänger der Homosexualität. Viel Zeit vergeht im Handlungsverlauf, die mir nur veranschaulicht, wie die Literaturszene gestrickt ist und warum junge, attraktive Männer ein leichtes Spiel haben, zu Emporkömmlingen zu werden. Ganz klar, hier hätte ich mir einen anderen Einstieg gewünscht, zumal die sexuelle Präferenz im Folgenden keine wesentliche Rolle mehr spielt.

In der Folge erzählen dann diverse Protagonisten über ihr Leben in der unmittelbaren Nähe zu Maurice, sie schildern ihn in zahlreichen Facetten und lassen das ganze Ausmaß seiner vernichtenden Ambitionen deutlich werden – dennoch bleibt die zentrale Figur seltsam blass, obwohl mir die Perspektivenvielfalt anderer Erzählstimmen ganz gut gefallen hat. Nach der Hälfte des Romans hätte ich am liebsten das Prädikat – langweilig - vergeben, auch wenn es das nicht ganz trifft, aber die Gründe weiterlesen zu wollen, haben nur indirekt mit dem Roman zu tun. Eher die Hoffnung auf eine klare Wende im Buch haben mich bei der Stange gehalten.

Nach wie vor bin ich großer Fan des Erzählstils des Autors, seine Wortwahl, seine bildhaften Szenen, seine detaillierten und anschaulichen Darstellungen sowohl von Menschen als auch von Situationen gefallen mir ausgesprochen gut, sicherlich ein Bonus, der sich über die Zeit entwickelt hat, aber auch hier in der schriftstellerischen Umsetzung positiv erwähnt werden sollte, eben deshalb, weil der Plot um Maurice Swift so wenig vereinnahmend ist.

Fazit

Das war mein bisher schwächstes Buch von John Boyne und ich kann wirklich nur 3 Lesesterne vergeben, zu Vieles hat nicht gepasst. Vielleicht kann man mit dem Text mehr anfangen, wenn man ein echtes Interesse am Funktionieren des Literaturbetriebes hat oder wenn man einem Menschenfeind durch sein Leben folgen möchte und dessen Handlungsmuster verstehen will. Dadurch das ich schon zahlreiche Bücher mit der Thematik des Betrugs gelesen habe, bringt mir dieses hier keine neuen Erkenntnisse und spricht mich in seiner behäbigen, ausufernden Umsetzung auch nicht an.

Handlung und Charaktere sind wenig ansprechend umgesetzt und wirklich gefesselt hat mich das Gelesene nicht. Ein klarer Fall von: Kann man lesen, muss man aber nicht. Leider komme ich mir selbst etwas betrogen vor, hatte ich doch eine ganz andere Vorstellung von dieser Lektüre - nun gut damit schließt sich der Kreis: ein Betrüger betrügt auch den Leser, in diesem Fall um eine gute Geschichte.