Rezension

Leise und trotzdem eindringlich

Winterbienen - Norbert Scheuer

Winterbienen
von Norbert Scheuer

Bewertet mit 5 Sternen

Egidius Arimond lebt in einem kleinen Dorf in der Eifel. Ich habe ihn von Winter 1944 bis Frühjahr 1945 begleitet. Er schreibt in Tagebuchform von seinen Liebesgeschichten, seiner Arbeit als Fluchthelfer, seinen Bienenstöcken, von seinem Leben und Überleben während des Zweiten Weltkrieges.

Winterbienen ist ein leises Buch. Leise und gleichzeitig sehr eindringlich lässt der Autor seine Hauptfigur erzählen. Von seinem Leben, das nicht so trostlos verläuft, wie man annehmen sollte. Wegen Epilepsie als nicht wehrtauglich eingestuft, verbringt Egidius seine Zeit in der Heimat u.a. als Tröster der alleingelassenen Frauen. Er kümmert sich um seine Winterbienen, die dem Roman den Namen geben. Das Bienenvolk, das der Autor zum Spiegelbild des Deutschen Volkes macht. Richtig gut gemacht!

"Überall in den dunklen Gängen der Stöcke haben die Arbeiterinnen jetzt mit dem Schlachten begonnen. Auf dem Rücken liegend, versuchen die einstigen Günstlinge der Königin, die wütenden Angriffe abzuwehren, aber es nützt ihnen nichts. Die zarten Flügel werden ihnen abgerissen, die wie Diamantsplitter glitzernden Augen ausgestochen. Erbarmungslos werden sie wie fremdartige, nicht mehr zu ihrem Volk gehörende Eindringlinge angegriffen und getötet." (Seite 195)

Die Schrecken des Krieges werden zunächst nur zwischen den Zeilen vermittelt; doch je länger die Lesedauer, desto offensichtlicher werden der Terror, der Mangel an Essen, die Gefahren und die Angst. Mit jeder Seite wird die Situation beklemmender, bis ich am Ende Egidius im Mai 1945 verlasse.

Der Roman hat mich sehr berührt. Ohne die Beschreibungen von Schlachten wird ein Krieg lebendig, werden die Gefahren, in die sich Menschen begeben, deutlich. Der Autor erzählt fast nebenbei von Zerstörung, aber auch von der Hoffnung auf Frieden, auf ein Leben danach.

Winterbienen ist das fünfte (und letzte) Buch, das ich von der Shortlist 2019 gelesen habe. Eine Rangfolge möchte ich nicht erstellen, kann aber sagen, dass ich es deutlich besser als den Siegertitel fand. Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 31. Oktober 2019 um 08:37

Welches hast du ausgelassen?

Schöne Rezension. Ein wunderhübsches Buch, das man lesen kann ohne sich zu übergeben - und wo trotzdem alles drinsteht.

Marshall Trueblood kommentierte am 31. Oktober 2019 um 12:43

Nach dem Leseprobenheft hatte ich "Das flüssige Land" als für mich nicht lesbar aussortiert...da war ich nicht wirklich überrascht, als es auf der Shortlist wieder auftauchte...ich hätte es aber auch nicht gelesen, wenn es gewonnen hätte...;-))