Rezension

Leonores Emanzipation

Die Frauen vom Nikolaifleet – Der Traum von Übersee -

Die Frauen vom Nikolaifleet – Der Traum von Übersee
von Katharina Lansing

Bewertet mit 4 Sternen

1899 Hamburg. Schon seit ihrer Kindheit ist der gutgehende Kolonialwarenladen ihres Vaters Leonores absoluter Lieblingsplatz. Nicht nur der Duft exotischer Gewürze, auch der stetige Strom von Kunden, die ihre Einkäufe tätigen, lassen die junge Frau sich lebendig fühlen. Allerdings ist Leonores Bruder Carl für die Übernahme des Geschäfts vorgesehen, während sie den Bäckerssohn Mathias heiraten soll, um mit ihm eine Familie zu gründen. Doch Leonores Herz schlägt nicht für Mathias, während Carl seine Zukunft eher in Amerika sieht. Durch die Begegnung mit dem Künstler Julius tritt die Liebe in Leonores Leben, dessen wohlbetuchte Familie über die Verbindung allerdings nicht sehr erfreut ist. Aber Leonore kämpft um ihre Liebe und auch für die Übernahme des Kolonialladens, als Carl die Familie verlässt….

Katharina Lansing hat mit „Die Frauen vom Nikolaifleet-Der Traum von Übersee“ den Auftakt für ihre historische Trilogie vorgelegt, der nicht nur ins alte Hamburg entführt, sondern auch eine unterhaltsame Geschichte für den Leser bereithält. Der locker-leichte, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil gewährt sofort Eintritt ins 19. Jahrhundert, um dort Leonore und ihre Familie kennenzulernen und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Diese lebt seit dem Tod der Mutter mit ihrem Vater und ihrem Bruder, kümmert sich als Frau um alle Belange des Haushalts und wird gemäß den damals herrschenden gesellschaftlichen Gepflogenheiten recht klein gehalten und bevormundet. Das Patriarchat des Vaters ist streng und unbeugsam, doch neben vielen Schwierigkeiten spielen das Schicksal Leonore das eine oder andere in die Hände, um daran zu wachsen, ihre Unterwürfigkeit abzulegen, immer mehr aus sich herauszukommen und selbstsicherer zu werden, während sie sich gegen das Rollendenken ihres Vaters auflehnt und Widerstand leistet. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen den Leser nicht nur durch Hamburg wandeln, sondern auch den Kolonialwarenladen in Augenschein nehmen. Der Spannungsbogen ist im Mittelfeld angesiedelt und verharrt dort auch bis zum Ende. Einige überraschende Wendungen hätten der Geschichte gutgetan, um dies zu ändern.

Die Charaktere sind lebendig und glaubwürdig in Szene gesetzt, überzeugen mit realistischen Eigenschaften und lassen den Leser nahe an sich herankommen. Leonore ist eine junge Frau ihrer Zeit, der zu Beginn noch der Mut fehlt, sich gegen das damals herrschende Rollenbild aufzulehnen. Sie ist hilfsbereit, liebenswürdig, aufgeweckt, aber auch sehr zurückhaltend. Doch sie wandelt sich, als es darum geht, für ihre Überzeugungen und Träume zu kämpfen. Nach und nach entwickelt sie Selbstbewusstsein, was ihr bei ihrem Widerstand gegenüber ihrem Vater zugutekommt. Eine große Unterstützung dabei ist ihre ältere Freundin Sophie, die ihr ins Gewissen redet und ihr den buchstäblichen Tritt versetzt, um die Dinge in die Hand zu nehmen. Bruder Carl ist ein egoistischer und rücksichtsloser Zeitgenosse, unter dem Leonore einiges zu erleiden hat, aber auch ihr Vater denkt nur an sich und behandelt Leonore respektlos wie eine Dienstbotin. Ebenso spielen Julius, dessen Familie und Isabel gewichtige Rollen innerhalb der Geschichte.

„Die Frauen vom Nikolaifleet-Der Traum von Übersee“ ist ein historischer Roman, der mit einem Mix aus Familie, Liebe, Widerstand und Emanzipation vor der Kulisse des alten Hamburgs aufwartet und für einigen Unterhaltungswert sorgt. Verdiente Leseempfehlung für diesen Einstand!