Rezension

Lesenswert

Das Leben ist zu kurz für Mimimi -

Das Leben ist zu kurz für Mimimi
von Constanze Kleis

Bewertet mit 1.5 Sternen

Das Leben ist lang genug, um Constanze Kleis Buch zu lesen

Ich habe zu Constanze Kleis Buch gegriffen, da es in der Regionalzeitung besprochen wurde.

Die Autorin beschreibt ein amerikanisches Phänomen, das auch bei uns bereits vor ein einigen Jahren bereits Einzug gehalten hat: Dass es für jedes Problemchen einen Coach und für jede Baustelle eines Therapeuten bedürfe, so lebten wir. Ihre Forderung lautet, anstatt sich im Selbstmitleid zu suhlen, Eigenverantwortung zu übernehmen, alles als nicht so schlimm, sondern eher als normal zu betrachten, und das zu schätzen, was ist und was man hat. Da ist durchaus etwas dran. Frau ist per definitione zum Perfektionismus veranlagt und der Druck verschiedener Gruppen in der Gesellschaft ist groß, angefangen bei Müttern von Klassenkameraden, Nachbarn und Co. Dabei fokussiert Kleist bestimmte Themen ganz besonders u.a. Depression (wir haben ein Recht auf Traurigkeit), die Menopause, aber auch Dating-Plattformen.

Im Grunde gefällt mir Kleist's Sprachstil, ihr Humor ("Dennoch mischt sich jeder, der schon mal ein Kind aus der Nähe gesehen hat, in Dinge ein, die eigentlich ganz manierlich laufen würden", S. 179), ihre umfangreiche Recherche (siehe Bibliographie), ihr Fachwissen und ihre Bildung und auch ihre Danksagung an ihre Eltern.

Dass die "Let-it-be-Liste" (S. 84) die herkömmliche to-do-Liste ersetzen soll, finde ich eine sehr reizvolle Idee. Gut gefällt mir, wie die Autorin Trauer und den Umgang mit ihr, überhaupt ihre Notwendigkeit definiert (S. 103/137).

Kritik: Ich bin als Autorin eine leidenschaftliche Verfechterin des geschriebenen Wortes, als Linguistin brenne ich für Wortspiele, Metaphern und Co, und bin zudem sehr anspruchsvolle, auch wissenschaftlich dichte, sprich anstrengende, Texte beileibe gewöhnt, dennoch habe ich Kleist Sprachstil auf nicht wenigen Seiten als sehr anstrengend empfunden, weil sie ihre Inhalte dermaßen mit Metaphern und verbalen Übertreibungen überfrachtet, dass teilweise überhaupt keine sachliche Ruhe einkehrt.Man möchte ja nicht nur Bilder analysieren und Worte übersetzen, sondern die zu vermittelnden sachlichen Inhalte einfach lesen und auf sich wirken lassen. Eben deshalb gibt es von mir nicht die volle Punktzahl.

Das Buch ist aber auf jeden Fall lesenswert, insbesondere für "mittelalterliche" Frauen, insbesondere für Leute, die ständig dem eigenen Druck und dem Druck von außen erliegen, die mal locker lassen wollen und nicht können. Für LeserInnen, die mal "Demut" und "Dankbarkeit" "üben und eigeninitiativ werden wollen.