Rezension

Lesenswert!

In der Mitte des Lebens - Margot Käßmann

In der Mitte des Lebens
von Margot Käßmann

Bewertet mit 5 Sternen

Megaschade, dass das Buch bei Amazon derart verrissen wird, wohl ein Zeichen unserer Zeit #hatespeech

Ich habe Kässmanns In der Mitte des Lebens seit 2011 bereits vier Mal gelesen. Es ist ein Buch, das ich gerne zur Hand nehme, in Zwischenzeiten.

Kässmann ist 51 Jahre (Bj. 1958), als sie das Buch schreibt, und vom Schicksal gebeutelt. Sie hat eine Scheidung hinter sich und den Brustkrebs. Es ist sehr berührend (S. 103 f), wie die Autorin ihre Erfahrung mit der Krankheit schildert. Von der Diagnose bis zur Heilung.

Was mir an ihr gefällt, sind ihr Engagement für die gute Sache, ihre Lebenslust, ihr Optimismus, ihr Schreibstil und ihr Humor. Das Buch besteht aus 10 Kapiteln zu Themen, die mit dem Alter korrelieren wie z.B. Trauer, Einsamkeit, Krankheit, Tod die uns alle betreffen, vom Loslassen der Kinder (“So bringt Loslassen auch eine große Chance für eine Beziehungsebene zu den Kindern, es bringt neue Freiräume für die Eltern und neue Annäherungen an Geschwister oder Menschen ohne Kinder” (22) , Eltern pflegen usw. “Es geht um Frauen in verschiedenen Lebenssituationen, die in dem Alter sind, über die Mitte des Lebens nachzudenken” (12). Mir gefällt das metaphorische Bild der Balance, bestehend aus einem Standbein (innere Ruhe, Kraft, Lebenserfahrung (“...begreifen, dass wichtig nicht immer das ist, was ich für wichtig halte” (42) und einem Spielbein (Neugier auf Neues, immer noch, Spannung).”Ich möchte mit diesem Buch vor allem Mut machen, über die eigene Lebensmitte nachzudenken. Viel zu oft lassen wir Zeit einfach vergehen. In der Mitte des Lebens merken wir: Unsere Lebenszeit ist begrenzt”(12). Dabei verkündet Käsmann nicht durchweg Neuheiten, lässt aber ihre Perspektive einfließen. Sehr gelungen empfinde ich auch das Einflechten von Bibel-Geschichten, ohne religiös über-griffig zu werden. Im Gegenteil. Es passt, es bringt dem Leser die Kirche (wieder) ein wenig näher und ist bisweilen sogar sehr interessant, was die Kirchengeschichte z.B. betrifft oder das Leben in Pflegeheimen im Vergleich “früher” und heute. Da Kässmann eine kluge, lebenserfahrene und humorvolle Frau ist, taten sich nach der Lektüre gleich wieder drei Buchempfehlungen auf, da sie in ihrem Roman auch zitiert oder auf andere Werke referiert: “(...)es ist gleichgültig, was man tut. Es kommt nur auf die Intensität an, mit der man es tut “ (Zitat Luise Rinser, 43). Mir gefällt es sehr gut, wenn Autoren andere Autoren/Werke einfließen lassen. Ich selbst handhabe es auch so. Man selbst als Autor und auch der Leser wächst und reift in verschiedenen Richtungen und man lässt ihn an Literatur teilhaben, sich intellektuell bereichern. Nach zwei Jahren Wüstenerfahrung, ein toller Begriff, habe ich Kässmanns Werk auch in diesem Jahr wieder sehr gern gelesen. Wie der Titel schon sagt, ist es ein Buch für Menschen, die es betrifft und die sich dafür interessieren, Autobiographisches von gestandenen und gebildeten Autoren zu lesen.