Rezension

Lesenswerte Romanbiografie, aber Vorkenntnisse erforderlich

Libertys Lächeln - Andreas Kollender

Libertys Lächeln
von Andreas Kollender

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION - Mit seiner neuen Romanbiografie „Libertys Lächeln“ über das ereignisreiche Leben des Deutsch-Amerikaners Carl Schurz (1829-1906) setzt der Hamburger Schriftsteller Andreas Kollender (54) die Reihe seiner Lebensbeschreibungen bedeutender Deutscher fort, von denen trotz bemerkenswerter Leistungen heute nur noch wenige wissen. Deshalb ist dem Autor zu danken, dass er nach dem Widerstandskämpfer und Spion Fritz Kolbe („Kolbe“, 2015) und dem Reformator der Psychiatrie, Ludwig Meyer („Von allen guten Geistern“, 2017), sein Buch „Libertys Lächeln“ jenem deutschen Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit gewidmet hat, der in seiner zweiten Lebenshälfte sogar amerikanischer Präsident hätte werden können, wenn es die US-Verfassung nicht ausgeschlossen hätte.

Nicht einmal 20 Jahre alt, schloss sich der Student Carl Schurz jenen Gruppen an, die in der deutschen Revolution von 1848 gegen König und Adel für Freiheit und die Republik kämpften. Schurz wurde als ausgezeichneter Rhetoriker und Redner schnell zum Sprecher der Revolutionäre. Nach der Niederlage emigrierte er nach London, wo er im Kreis anderer Emigranten auf seine spätere Ehefrau Margarethe Meyer traf, die jüngere Schwester des oben erwähnten Psychiaters Ludwig Meyer. Beide wanderten 1852 in die Vereinigten Staaten aus. Margarethe, ebenso selbstbewusst und freiheitsliebend wie ihr Mann, eröffnete 1856 in ihrem Wohnort Watertown (Wisconsin) den ersten Kindergarten der USA. Carl Schurz wurde auch in den USA politisch aktiv, machte unter den deutschen Einwanderern erfolgreich Wahlkampf für Abraham Lincoln, wurde zum Dank Botschafter in Spanien. Im amerikanischen Sezessionskrieg stieg er als Truppenführer deutschstämmiger Soldaten bis zum Generalmajor auf, kämpfte gegen die Sklaverei und beendete schließlich seine politische Karriere als US-Innenminister. Während dieser vier Jahre von 1877 bis 1881 setzte sich Schurz für die Rechte der Indianer, aber auch für den Schutz der Wälder ein.

In Kollenders Romanbiografie „Libertys Lächeln“ erfahren wir in kurzen Kapiteln auf 300 Seiten aus dem komplexen Leben des Deutsch-Amerikaners. Carl Schurz sitzt 1901 in New York auf der Parkbank mit Blick auf die Freiheitsstatue und lässt das Erlebte in seiner Erinnerung Revue passieren: „Ich war Revolutionär in Deutschland, ich war mit Lincoln befreundet, ich war Generalmajor im Bürgerkrieg, ich habe eine entsetzliche Reise in die Südstaaten gemacht. Ich habe Menschen zu Grabe getragen. Ich bin Vater.“ Da der 72-Jährige inzwischen an Demenz leidet, hat er zum eigenen Ärger vieles vergessen, anderes taucht unzusammenhängend und unerwartet in der Erinnerung auf.

Diese in zeitgenössischer Literatur fast schon zur Mode gewordenen, scheinbar willkürlichen Sprünge durch Zeit und Raum ermöglichen in diesem Fall dem Autor einerseits, mit wenigen Episoden trotz dieser Lückenhaftigkeit einen zumindest groben, dabei unterhaltsamen Einblick in die Komplexität des Schurzen Lebens zu geben, wo in chronologischer Ordnung sonst eine ausführliche Biografie nötig wäre. Andererseits dürften diese Sprünge und Lücken bei Lesern, die noch nie von Carl Schurz gehört haben, zu Verwirrung und Unverständnis führen und sie zu vorzeitigem Abbruch verleiten. Dies wäre allerdings bedauerlich, ist doch „Libertys Lächeln“ ein in lockerem Stil geschriebenes, inhaltlich interessantes und empfehlenswertes Buch. Deshalb ist es ratsam, vor Lektüre des Kollender-Buches sich in Grundzügen über das abenteuerliche Leben des Carl Schurz und seiner Margarethe zu informieren.