Rezension

Lesenswerter Thriller

Der kalte Schlaf - Sophie Hannah

Der kalte Schlaf
von Sophie Hannah

Bei "Der Kalte Schlaf" ist nicht nur das Cover recht kühl gehalten, sondern auch der deutsche Titel und der Inhalt. Das liegt nicht nur an der Jahreszeit, in der das Buch spielt - nämlich im Winter - nein, auch die Thematik und die Aufschlüsslung am Ende lassen es einem innerlich kalt den Rücken runterlaufen! Aber ob Sophie Hannah, da wirklich einen "Pageturner" erschaffen hat, wie er auf dem Buchrücken lobend betitelt wird? Lest selbst!

Es geht um Amber. Amber hat Schlafprobleme und das nicht nur ab und an. Seit Jahren kämpft sie mit diesem Problem und zwar genau seit dem Zeitpunkt, als sie ihre beste Freundin bei einem Brand verlor und deren Töchter bei sich aufnahm. Doch ist das wirklich der einzige Grund? Sie besucht eine Hypnosetherapeutin und die macht ihr schnell klar, dass hinter ihrer Schlaflosigkeit weit mehr, als nur der Verlust steckt. Sie kennt die Wahrheit um den Mord an ihrer Freundin, aber ihr Gedächtnis setzt alles daran, dass der Täter unerkannt bleibt und sie sich nicht erinnert.

"Jemand der nicht schläft, hat auch kein Schlafzimmer verdient." (S.126) 

Was einem direkt auffällt, sind die Erzählweisen des Buches. Da ist zum einen Amber, die aus der Ich-Perspektive sprechen darf und mit ihrer direkten frechen Art einem direkt ans Herz wächst und ein fremder Erzähler, der in der Gegenwart berichtet. Er spricht den Leser hierbei direkt an. Erst später wechselt der Ansprechpartner und dessen Identität wird klärt sich langsam auf. Es überrascht zunächst ein wenig, hätte man doch mit einer anderen Person gerechnet. Dennoch schließt sich so ein großes Loch der Grübelei und schlüsselt so manches auf. 
Die Figuren selbst sind allesamt gut durchdacht und klingen mit ihren unterschiedlichen Charakteristika plausibel genug, dass man ihnen ihr Verhalten abkauft. Natürlich allem voran Amber mit ihren Töchtern Dinah und Nonie.

Das Tempo des Buches ist anfangs etwas stockend, was aber sicher daran liegt, dass man einer Großfamilie vorgestellt wird und dann auch noch durch die direkt Ansprache aus dem Takt gebracht wird, da dies nicht allzu oft vorkommt. Hat man sich allerdings erst einmal einen Überblick erschaffen, liest es sich recht flüssig. Dabei ist dennoch immer höchste Konzentration gefragt. Man wird ja gerade dazu aufgefordert alles im Buch zu hinterfragen, mitzudenken und auch noch die Ursache des Schlafmangels herauszufinden. Durch die Einbindung spannt sich natürlich der Spannungsbogen noch mehr und man saugt alles in sich auf. 

"[Das Bewusstsein] verscheucht, was wir im Unterbewusstsein gespeichert haben, was all die verdrängten Sachen zwingt, sich noch tiefer zu vergraben." (S.104) 

Sobald man weiß, wer hinter dem Erzähler steckt, löst sich ein wenig diese Anspannung. Auf der gedanklichen Täterliste derweil, auf der viele Namen stehen und immer wieder durchgestrichen wurden, kristallisiert sich irgendwann ein Name immer mehr heraus und man ist letztendlich bei der Lösung über die Motive recht geschockt. Es ist wie bei Amber mit ihrem Schlafmangel und der Verdrängung. Man will es als Leser einfach nicht wahr haben. 

"Wir verdrängen aus einem guten Grund, wir verdrängen, um uns selbst zu schützen" (S. 382) 

Nach so einem super Einstieg und Spannungsaufbau, fand ich jedoch die Auflösungsgespräche recht gezogen und unpassend. Ich mag allerdings auch generell keine ewig langen so-ist-die-Lösung Kapitel. Darf der Leser, der im ganzen Buch mitdenken soll, nicht am Ende auch alles zu Ende denken?
Dieser Abschluss hat einen bitteren Beigeschmack hinterlassen und meine Bewertung schlussendlich ein Stück nach unten gezogen.

Dieser Thriller wird nicht jedem gefallen. Was nicht an dem Inhalt liegt, sondern eher an der Erzählweise. Man muss sich durch den "holprigen" Anfang kämpfen, dann stetig mitdenken bzw. wird dazu aufgefordert und das kann auf Dauer anstrengend sein. Bei mir hat man es deutlich an der Lesezeit gemerkt. Ich habe relativ lange dafür gebraucht.  
Bereut habe ich es jedoch - trotz dem unglücklichen Ende - definitiv nicht und ich werde mir sicher noch andere Bücher der Autorin vornehmen!

"Denken Sie daran, eine Geschichte ist keine Erinnerung, eine Erinnerung ist keine Geschichte. Jede Geschichte enthält Erinnerungen, aber Interpretation und Analysen stülpen wir den Ereignissen erst später über. Diese können nicht als Erinnerungen bezeichnet werden." (S. 198)

8 von 10 Punkten