Rezension

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Lesetipp

Lunapark, 10 Audio-CDs - Volker Kutscher

Lunapark, 10 Audio-CDs
von Volker Kutscher

Bewertet mit 5 Sternen

„Lunapark“ ist der sechste Teil der Reihe um den Ermittler Gereon Rath. Der erste Band beginnt im Jahr 1929. Meines Erachtens kann man „Lunapark“ aber sehr gut als stand alone lesen, da Kutscher alles Wichtige für das Verständnis des Romans im Text erklärt oder andeutet. 

 

Berlin 1934:

 Die übel zugerichtete Leiche eines SA-Mannes wird aufgefunden. Waren Kommunisten die Täter? Die unvollendete kommunistische Parole an der Wand scheint ein handfester Beweis zu sein.   Kommissar Gereon Rath trifft am Tatort auf seinen Ex-Kollegen Reinhold Gräf, der bei der Geheimen Staatspolizei Karriere macht. Gräf geht sofort von einem politischen Mord aus. Rath hingegen ist breiter aufgestellt, und so entdeckt er, dass unter dem SA-Deckmantel der kriminelle Ringverein der Nordpiraten  trotz Zerschlagung weiter sein Unwesen treibt. Es bleibt indes nicht bei einem Mord. Ein zweiter SA – Mann wird erschlagen aufgefunden; die Spur führt zu Berlins berühmtestem Rummel „Lunapark“, der geschlossen wurde. 

Der Gangster Johann Marlow, an den Rath keine guten Erinnerungen hat, scheint auch eine Rolle zu spielen, denn er war der grösste Gegenspieler der Nordpiraten. Die politische Lage spitzt sich immer mehr zu und sogar Charly, Raths bessere Hälfte, gelangt in SA – Haft. Die Ereignisse überschlagen sich und Gereon  soll als Auftragsmörder arbeiten, was ihm gar nicht behagt…

„Lunapark“ ist ein wirklich exzellenter historischer Krimi, detailliert erzählt und vor allem faktentreu und sehr gut recherchiert. Vieles, was ich über die Zeit bereits wusste, stellt Kutscher absolut richtig dar. Aber ich konnte auch Neues lernen, die Berliner Ringvereine waren mir vor der Lektüre etwa kein Begriff. Rath betreibt kein bloßes name dropping, vielmehr setzt er die  Dinge in Kontext, ohne dabei zu dozieren. Geschickt verflicht er Fakten und Fiktion zu einem spannenden Roman. Es gibt parallele Erzählstränge, in denen gezeigt wird, wie sich die Figuren mit dem „Neuen Deutschland“ arrangieren. Rath glaubt, der Sturm werde vorbeiziehen und denkt, es werde schon nicht alles so schlimm kommen. Charlotte Rath ist absolut skeptisch, hellsichtig und ablehnend den Nazis gegenüber und möchte folgerichtig nicht, dass Ziehsohn Fritze in die  Hitlerjugend eintritt, was Gereon hysterisch findet. Die Beziehung der Raths leidet sehr unter den neuen Zeiten. 

Fritz ist begeistert von der HJ: „Volksgemeinschaft“, Kameradschaft, Zelten in der Natur. Das kennt das ehemalige Heimkind aus dem unkonventionellen Rath’schen Haushalt nicht, Charly ist nicht die typisch deutsche Hausfrau, denn sie geht selbst arbeiten (braucht dafür aber die schriftliche Erlaubnis ihres Ehemannes!). Außerdem ermittelt sie in einem eigenen „Fall“. Sie ist mir aber als Figur fast ein wenig zu perfekt gezeichnet. 

„Lunapark“ ist sehr spannend, ein richtiger pageturner, den ich nicht mehr beiseite legen konnte. Spitze fand ich, wie beiläufig reale Personen und Ereignisse aus dem Jahr 1934 in die Erzählung eingeflochten wurden  - der Machtkampf zwischen SA und SS, Röhm, der angebliche Putsch, Heydrich, Paragraph 175. Unkonventionelle Allianzen zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Richtig gerührt hat mich aber die Darstellung der Familie Adenauer und insbesondere eine starke Szene gegen Ende (Details verrate ich nicht – ihr müsst den Roman selbst lesen!). 

Fazit: 

Ein spannender pageturner und eine tolle Geschichtslektion. Unterhaltung auf höchstem Niveau. Jetzt heißt es warten auf den nächsten Band. Ich vergebe volle 5 Sterne und spreche eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus!