Rezension

Liebe das Leben. Und das Leben liebt dich!

Das kann uns keiner nehmen
von Matthias Politycki

Bewertet mit 4 Sternen

Hans möchte mit seiner Vergangenheit ins Reine kommen - mit einer Besteigung des Kilimandscharo und der Übernachtung im Gipfelkrater. Doch als er und seine Gruppe oben ankommen, muss Hans zu seinem Ärger feststellen, dass dort schon ein Anderer seine Zelte aufgeschlagen hat. Widerwillig nähert er sich dem Platz und es kommt noch schlimmer: Der ihnen Zuvorgekommene, Tscharli, ist ein ungehobelter, respektloser Urbayer mit fürchterlichen Ansichten. Auf dem am nächsten Morgen gezwungenermaßen gemeinsamen Rückweg wird deutlich, wie schlecht es um Tscharlis Gesundheit bestellt ist. Und eh Hans es sich versieht, befindet er sich plötzlich für eine Woche auf einer gemeinsamen Reise mit diesem Rüpel.
Hans berichtet diese Geschichte als Ich-Erzähler und, natürlich, ist er selbst der Maßstab, an dem er Tscharli misst. Immerhin ist er von Beginn an ehrlich genug um festzustellen, dass dieser unsägliche Bayer mit den Afrikanern wesentlich besser klar kommt als Hans, auch wenn er sie immer wieder 'Neger' nennt. Es ist durchaus belustigend zu lesen, wie der politisch korrekte Hanseat dem alten Zausel klar zu machen versucht, wie reaktionär dessen Ansichten und Verhalten sind. Tatsächlich ist es Hans jedoch, der den Einheimischen fremd bleibt bzw. sie auf Distanz hält. Ungewollte europäische Arroganz, Überheblichkeit oder schlicht Furcht? Die beiden so verschiedenen Männer freunden sich wider Erwarten an und nach und nach erzählen sie sich gegenseitig ihre Lebensgeschichten; zumindest den Teil, der sie nach Afrika geführt hat.
Es ist nicht nur eine bzw. zwei Geschichten über die Liebe des Lebens, sondern auch die Liebe zum Leben, die Tscharli aller Widrigkeiten zum Trotz nicht verliert. Er, der zeitweise schmerzhaft geradeheraus ist und scheinbar zwanghaft fast immer gute Laune hat, zeigt seinem Begleiter, wie gut es sich leben lässt und Hans lernt von ihm. Er fühlt sich zum ersten Mal frei, ohne jede Zwänge, die ihm in Deutschland nicht mehr bewusst waren.
Matthias Politycki lässt seinen Protagonisten in einem Tonfall erzählen, als säße er einem gegenüber. Selbst Zögerlichkeiten beim Nachdenken, das Abwägen - alles wird festgehalten und wirkt damit wie ein persönliches Gespräch. Ein Gespräch mit Beschreibungen die so deutlich sind, dass man die Menschen wie auch die Szenerien unmittelbar vor Augen hat. Tscharli ist mir während des Lesens sehr ans Herz gewachsen und ich hoffe, dass es noch viel mehr Tscharlis auf dieser Welt gibt.